
Was wir über die Entstehung des Lebens auf der Erde wissen. Eine Zeitreise ins Hadaikum zu den Anfängen des Lebens auf der Erde.
Bezogen auf die Erde wird der Begriff Gezeiten häufig verwendet, um das Ansteigen und Abfallen des Meeresspiegels zu beschreiben, das durch die kombinierten Gravitationskräfte von Sonne und Mond hervorgerufen wird (Ebbe und Flut). Das ist ein wenig irreführend, da Gezeiten immer auch auf die feste Erdkruste wirken und diese ebenfalls verformen. Zusätzlich hängt das Ausmaß des Ansteigens und Abfallens vom Meeresspiegel stark von der Topographie der Küstenlinie, Meeresströmungen und der Verteilung der Kontinente ab. Eine allgemeine Definition für den Gezeitenbegriff nach Morrison und Owen [3] ist:
"Bei Gezeiten handelt es sich um eine Verformung eines Körpers, die durch die gravitative Anziehungskraft eines nahegelegenen Objektes verursacht wird." (im englischen Original: "A tide is a distortion in the shape of one body induced by the gravitational pull of another nearby object").
Fürs erste werden wir in diesem Artikel die Gezeitendefinition von Morrison und Owen verwenden und die Effekte von Topografie und Meeresströmungen auf die Gezeiten ignorieren. Auf diese Effekte werden wir später im Kapitel Geizeitenzyklen auf der Erde eingehen.
Diese Seite basiert teilweise auf dem englischsprachigen Artikel "Tides and centrifugal force" von Paolo Sirtoli [1] sowie dem Artikel "Tidal Misconceptions" von Donald E. Simanek [4].
Eine genaue Berechnung der Meeresgezeiten ist komplex. Die Gezeiten hängen von der Topografie ab und werden dadurch beeinflusst, das Wasser wegen der Kontinente nicht frei fließen kann. Dieser Artikel wird die Ursache der Gezeiten erläutern und unter anderem erklären, warum es auf der Erde zwei Gezeitenberge gibt. Einen auf der mondzugewandten und einen auf der mondabgewandten Seite der Erde.
Die Gravitationskraft ist die ausschlaggebende Ursache für die Entstehung von Gezeiten. Die Erde wird am stärksten durch die Gravitationskräfte der Sonne und des Mondes beeinflusst. Die Grundlagen der Berechnung der Gezeitenkraft sind für Mond und Sonne gleich. Aus diesem Grund werden wir hier zunächst die Gezeitenkraft des Mondes untersuchen. Weiterhin werden wir die Erdrotation ignorieren, denn diese hat keinen Einfluss auf die Existenz der Gezeitenberge. Betrachten wir zunächst die Erde, den Mond und das Gravitationsgesetz. Die vektorielle Form des Gravitationsgesetzes ist in folgender Gleichung dargestellt:
\begin{equation} \label{eq:eqn_grav} \vec F_{1} = \gamma \cdot m_1 \cdot m_2 \cdot { { \vec r_2 - \vec r_1 } \over |\vec r_2 - \vec r_1|^3} = - \vec F_2 \end{equation} wobei:
Zunächst sehen wir uns die Beschleunigung an, die von der Gravitation des Mondes auf ein Teilchen ausgeübt wird, das auf der Erdoberfläche ruht. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass Mond und Erde im All ruhen und sich nicht umkreisen. Wir substituieren die Kraft in Gleichung \eqref{eq:eqn_grav} mit dem ersten Newtonschen Gesetz (\(\vec F = m \cdot \vec a\)). Diese Gleichung kann man leicht nach der Beschleunigung auflösen. Das Ergebnis ist die Beschleunigung, die ein auf der Erde ruhender Körper durch die Gravitationskraft des Mondes erfährt.
\begin{equation} \label{eq:eqn_acc_moon} \vec a(\vec r) = \gamma \cdot m_m \cdot { { \vec r_m - \vec r } \over |\vec r_m - \vec r|^3} \end{equation} wobei:
Wendet man diese Gleichung auf eine Vielzahl von Punkten auf der Erdoberfläche, sowie für den Erdmittelpunkt an, erhält man folgendes Resultat:
Die Pfeile zeigen die Stärke der Gravitationskraft des Mondes an der Erdoberfläche und im Erdzentrum an. Der schwarz-weiße Kreis markiert den Massenschwerpunkt des Systems Erde-Mond, das sogenannte Baryzentrum. Die Entfernung Erde-Mond in obenstehender Grafik ist nicht maßstabsgetreu, das Größenverhältnis der beiden Körper ist es allerdings. Die Mondposition läßt sich durch ziehen mit der Maus verändern. Folgenden Dinge kann man beobachten:
In obiger Visualisierung wird nur die durch den Mond verursachte Gravitationsbeschleunigung betrachtet. Die Gravitationsbeschleunigung der Erde wird ignoriert. In der Realität ist die, durch den Mond auf die Erdoberfläche wirkende Beschleunigung deutlich kleiner (3.3e-5 m/s²), als die durch die Erdmasse selbst verursachte (9.81 m/s²). Wegen des vergleichsweise großen Abstandes des Mondes zur Erde ist auch der Unterschied zwischen mondzugewandter und mondabgewandter Seite ist in der Realität sehr klein.
Bislang haben wir nur die Wirkung der Mondgravitation auf die Erdoberfläche betrachtet und angenommen Erde und Mond ruhen im Weltall. Wir haben gesehen, dass in diesem Fall die Richtung der Beschleunigungsvektoren auf das Mondzentrum zeigen. Wenn wir annehmen, dass das Wasser auf der Erdoberfläche diesen Vektoren folgt, dann würde es einen Gezeitenberg auf der mondzugewandten Seite der Erde erzeugen. Das ist allerdings nicht genug, um die Gezeiten zu erklären.
Um das zu verdeutlichen, sehen wir uns die Bahndaten des Mondes und die Rotationsperiode der Erde an. Die Erde benötige für eine Rotation um ihre eigene Achse 24 Stunden. Der Mond benötigt 27,32 Tage für einen kompletten Erdumlauf. In einem Einzigen Tag legt der Mond also folgende Winkeldistanz zurück:
$$360°/27.32 d = 13.18°$$Die Erde muss sich also 373.18° drehen um dem Mond wieder die gleiche Position zuzuwenden. Das bedeutet, das eine Position auf der Erdoberfläche erst nach 24 Stunden und 52 Minuten wieder die gleiche Position in Bezug auf den Mond einnimmt. Wenn es nur einen Flutberg gäbe, wäre das der Zeitabstand zwischen zwei Flutereignissen.
Durch Beobachtung am Meer kann man allerdings feststellen, dass der Zeitabstand zwischen zwei Flutereignissen 12 Stunden und 25 Minuten ist. Das ist die Hälfte des gerade berechneten Wertes. Die logische Schlussfolgerung ist, das es zwei Flutberge auf gegenüberliegenden Seiten der Erde geben muss. Die Gravitationskraft des Mondes und die Annahme Mond und Erde ruhen im Weltall reicht noch nicht aus um die Gezeiten zu erklären. Man kann nicht einfach ignorieren, das Erde und Mond gravitativ aneinander gebunden sind. In der Realität kreisen Mond und Erde um ihren gemeinsamen Schwerpunkt, wie in Animation 1 dargestellt.
Für Animation 1 haben wir ein Referenzsystem verwendet, das sich im Zentrum des gemeinsamen Schwerpunktes von Mond und Erde befindet (Baryzentrum). Wir nehmen an, dass dieser Punkt im Verhältnis zum Rest des Weltalls in Ruhe verharrt. In der Physik nennt man ein solches System auch Inertialsystem. Nur in Inertialsystemen gelten die Newtonschen Grundgesetze in ihrer einfachsten Form.
Die Erdbahn verläuft nahezu kreisförmig um den gemeinsamen Schwerpunkt. Der Bahnradius sei \(d\), ihre Winkelgeschwindigkeit sei \(\omega\). Die mittlere Entfernung zwischen Mond und Erde beträgt 385000 km. Die Entfernung der Erde vom gemeinsamen Schwerpunkt kann man mit folgender Gleichung berechnen:
\begin{equation} r_{cm} = 385000 km \cdot {m_m \over {m_e + m_m}} = 4678 km \end{equation} wobei:Nach dieser Rechnung befindet sich der gemeinsame Schwerpunkt des Systems Mond-Erde innerhalb der Erde in einer Tiefe von 1700 km. Wenn man jetzt die Bewegung eines beliebigen Punktes auf der Erdoberfläche verfolgt, so stellt man fest, das dieser sich ebenfalls auf einer kreisförmigen Bahn bewegt. In Animation 2 ist das exemplarisch für drei Punkte auf der Erdoberfläche dargestellt. Der Bahnradius ist wiederum identisch mit dem Abstand von Erdzentrum zum gemeinsamen Massezentrum des Systems Erde-Mond.
Das gilt für jeden Punkt auf oder innerhalb der Erde. Allerdings kreist jeder Punkt um einen anderen Mittelpunkt. In dem hier gewählten Referenzsystem wirkt also auf jeden Punkt eine identische Zentrifugalbeschleunigung, die sich wie folgt berechnet:
$$ a_z = \omega^2 \cdot r_{cm} $$Die Ursache hierfür ist die Bewegung der Erde um den gemeinsamen Schwerpunkt des Systems Erde-Mond. Die Berechnung der Winkelgeschwindigkeit auf Basis der Länge eines Mondmonates (27.32 Tage) ergibt:
$$ \omega = 2 \cdot \pi \cdot { 1 \over { 27.32 d \cdot 86400 s} } = 2.662 \cdot 10 ^{-6} s^{-1} $$Woraus sich die Zentrifugalbeschleunigung wie folgt berechnet:
$$ a_z = (2.662 \cdot 10 ^{-6})^2 \cdot 4678000 = \underline { \underline { 3.31 \cdot 10^{-5} {m \over s^{2} } }} $$Subtrahiert man diese Beschleunigung von der, durch die Mondgravitation verursachten Beschleunigung, so ergibt sich die Gezeitenbeschleunigung. Doch dazu kommen wir gleich. Vorher schauen wir uns den Wert der Zentrifugalbeschleunigung genauer an. Die Zentrifugalkraft ist in Betrag und Richtung identisch für jeden Punkt auf und innerhalb der Erde, also auch im Erdmittelpunkt. Der Erdmittelpunkt ist gleichzeitig der Erdschwerpunkt. Die Zentrifugalkraft, die auf den Erdmittelpunkt wirkt ist in Animation 2 mit einem orangefarbenen Pfeil dargestellt. Wenn es eine Kraft gibt, die am Schwerpunkt der Erde wirkt, warum bewegt sich die Erde dann nicht weg vom Mond? Die Antwort auf diese Frage liegt darin, das Erde und Mond gravitativ aneinander gebunden sind. Zentrifugalkräfte sind Scheinkräfte. Sie können immer auf andere Kräfte zurückgeführt werden. In diesem Fall ist die eigentliche Ursache die Gravitationskraft des Mondes, der die Erde auf die Bahn um den gemeinsamen Schwerpunkt zwingt. Die Zentrifugalkraft wird durch die Gravitationskraft des Mondes ausgeglichen:
\begin{equation} \label{eq:eqn_grav_moon} a_g = \gamma \cdot { m_m \over d^2 } = 6.675\cdot10^{-11} \cdot { {7.349 \cdot 10^{22} } \over 385000000^2} = \underline { \underline {3.31\cdot10^{-5} {m \over s^{2} }} } \end{equation} $$ a_g = a_z $$Anstelle der Zentrifugalbeschleunigung kann man daher auch die Gravitationsbeschleunigung berechnen, die der Mond auf das Erdzentrum ausübt. Beide Werte sind vom Betrag her identisch. Zieht man diese Beschleunigung von der, durch die Mondgravitation auf der Erdoberfläche verursachten Beschleunigungsvektoren (siehe Gleichung \eqref{eq:eqn_acc_moon}) ab, so erhält man die Gezeitenbeschleunigung.
Das Ergebnis ist in Animation 3 dargestellt. Es zeigt zwei Gezeitenberge, einen auf der mondzugewandten und einen auf der mondabgewandten Seite der Erde.
Animation 3: Das Gravitationsfeld des Mondes lässt zwei Gezeitenberge auf der Erde entstehen. Einen auf der mondzugewandten und einen auf der mondabgewandten Seite der Erde.Mit den hier beschriebenen Grundlagen kann man ebenfalls die auf die Erde wirkende Gezeitenkraft der Sonne berechnen. Die Gezeitenkraft der Sonne ist ungefähr halb so groß, wie die des Mondes. Wenn Sonne, Mond und Erde in einer Linie liegen, summieren sich die Gezeitenkräfte von Sonne und Mond auf (sog. Springflut).