Die Entstehung des Lebens auf der Erde

Der lange weg von der chemischen Evolution bis zu den ersten Mehrzellern

Künstlerische Darstellung der Erde im frühen Hadaikum. (Bild: Eigenes Werk; KI-generiert)

Eine von Wasser dominierte Welt

Eine vorbeifliegende Raumsonde könnte die Erde auch "nur" als Wasserwelt sehen, denn Ozeane dominieren die Erdoberfläche. Im Bild rechts ist der pazifische Ozean zu sehen. Die einzige sichtbare Landmasse ist ein kleiner Teil Australiens.

Die Erde hat im Laufe ihrer Geschichte viele Gesichter gezeigt. Sie war ein Vulkanplanet, ein Eisplanet, eine tropische Welt und in ferner Zukunft wird sie ein Wüstenplanet sein. Eigentlich ist sie eine Wasserwelt. Wir vergessen das oft, aber nur 29 % der Erdoberfläche sind Festland oder Inseln. Den mit 71 % weitaus größeren Teil bilden die Ozeane. Eine außerirdischen Sonde, welche die Erde passiert, könnte diese wie rechts im Bild dargestellt sehen. Ein blauer Planet, scheinbar vollständig von Wasser bedeckt. Kein Wunder, dass auch das Leben im Wasser entstand und erst später an Land kam.

Heute dominiert der Mensch das Festland und die Meere. Biologisch gesehen sind Menschen eine intelligente Unterart der Primaten, höhere Säugetiere. Wir sind so eng mit Schimpansen und Bonobos verwandt, dass 99 % unserer DNA mit ihrer übereinstimmt. Das ist eng genug, dass viele durch Viren übertragenen Krankheiten problemlos auf die andere Art überspringen können. Doch was bedeutet das, wenn wir selbst 60 % unserer Gene mit Bananen teilen? [4]

Was macht uns besser oder zumindest erfolgreicher als andere Spezies? Intelligenz? Man könnte meinen, die Entwicklung von Intelligenz sei die logische Konsequenz von 4,5 Milliarden Jahren Evolution, also quasi zwangsläufig. Ein Blick in die Erdgeschichte lässt daran Zweifel aufkommen.

Die Erde wird noch ungefähr 500 Millionen Jahre lang bewohnbar sein. Wenn man am Ende Bilanz zieht, was die erfolgreichste Lebensform ihrer Geschichte war, könnte die Antwort auch lauten: Pfeilschwanzkrebse, Perlboot oder vielleicht sogar die Rüsselhündchen. Wir nennen diese Arten heute lebende Fossile. Es sind Arten, die so alt sind, dass wir sie in Form von Versteinerungen aus Museen kennen, während sie gleichzeitig kaum verändert in natürlichen Lebensräumen auftreten. Sie haben in Nischen Habitate gefunden, die sich kaum verändern. Scheinbar vergessen von Zeit und Evolution. Ein Umstand, den wir gerade zu korrigieren scheinen, denn viele der "lebenden Fossile" sind aktuell vom aussterben bedroht, durch uns.

Ein Pfeilschwanzkrebs. Fossile Funde eng verwandter Arten können auf bis zu 480 Millionen Jahre zurück datiert werden. (Foto: Shubham Chatterjee; via Wikimedia Commons; CC BY-SA 3.0)
Perlboote sind Kopffüßer, eine überlebende Art der Nautiloideen. Sehr eng verwandt mit Arten, die bereits vor 38 Millionen Jahren im Eozän existierten. (Foto: Flickr Nutzer herr.g; Original; CC BY-SA 2.0)
Das insektenfressende Rotschulter-Rüsselhündchen gehört zur Gattung der Rüsselhündchen. Eng verwandte Arten lebten auch schon im Eozän vor 40 Millionen Jahren. (Foto: Joey Makalintal; Original; CC BY 2.0)

Diese Artikelserie erzählt die Geschichte des Wettkampfes um die feste Erde, es ist eine Geschichte von Gewinnern, Verlierern, globalen Katastrophen und Überlebenden. Es ist die Geschichte des Lebens auf der Erde und sie beginnt im Wasser, vor 4300 Millionen Jahren.

Vollständige Zeitleiste der Erdgeschichte. Die vollständige Zeitleiste der Erdgeschichte. (Bildquelle: Ingo Berg; CC BY-SA 4.0)

Von den Anfängen des Lebens

Eine der ältesten Formen von Leben auf der Erde sind Stromatolithen. Das sind aus Kalkstein bestehende Sedimentgesteine, die von Mikroorganismen gebildet werden. (Video: ZDF/Terra X/Viking Film/Iris Gesang/Andreas Kieling, Frank Gutsche/Christian R.Timmann/Richard Sako, Boris Bürgel, Markus Tanz, John-Christian Kultzscher; Originalquelle; CC BY 4.0)
Die Erde im Hadaikum war der Venus von heute sehr ähnlich. Die Oberfläche versteckt hinter einer dichten Wolkenschicht mit einer Atmosphäre aus Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf.
Strukturen, die Phospholipide in wässriger Lösung annehmen können. (Bildquelle: LadyofHats, Matt; via Wikimedia Commons; public domain)
Vereinfachte Erklärung der Abiogenese in einem Video von Terra-X. (Video: ZDF/TerraX/R. Schlosshan/F. Haedecke/C. Ruby/F. Wienke/Gruppe 5/Jochen Schmidt; Originalquelle; CC BY 4.0)

Erstes mikrobielles Leben auf der Erde entstand bereits relativ früh, in einem Abschnitt der Erdgeschichte, den wir heute Hadaikum nennen (vor 4000-4600 Millionen Jahren). Die frühesten Schätzungen gehen davon aus, dass Leben bereits 300 Millionen Jahre nach der Bildung der festen Erdkruste entstand. Sicher ist das nicht, aber es scheint, dass sich einfachstes Leben auf der Erde herausbildete, sobald die Bedingungen dafür geeignet waren.

Zu den ältesten sicher nachgewiesenen Formen des Lebens gehören Stromatolithen. Das sind von Mikroorganismen gebildete Kalksteinformationen, deren älteste fossilen Funde aktuell auf ein Alter von 3770 Millionen Jahren datiert werden.

Voraussetzungen des Lebens

Voraussetzungen für die Entstehung von Leben waren offenbar das Vorhandensein einer ersten festen Erdkruste, von flüssigem Wasser, sowie eine erste Atmosphäre.

Uratmosphäre

Diese Atmosphäre unterschied sich deutlich von der heutigen. Sie entstand durch Ausgasung der Gesteine, war viel dichter, reich an Kohlendioxid und Wasserdampf, mit geringen Anteilen an Methan, Schwefelwasserstoff, Ammoniak und Kohlenmonoxyd. Atmosphärischen Sauerstoff gab es noch nicht. Vermutlich herrschte anfänglich ein extremes Treibhausklima mit über 100 Grad Celsius Oberflächentemperatur. [5] Die Atmosphäre war vergleichbar mit der Venusatmosphäre von heute und vermutlich ähnelte die Erde auch äußerlich der Venus mit ihren dichten Wolken, welche jeden Blick auf die Oberfläche verwehren.

Irgendwann in der Frühzeit kam es zu einer Abkühlung der Atmosphäre und es begann zu regnen, sehr lange zu regnen. Es könnte zehntausend Jahre geregnet haben, vielleicht auch länger. Am Ende war der größte Teil des Wasserdampfes aus der Atmosphäre verschwunden und ein erster Urozean hatte sich gebildet. Die Erde war bereit für die Entstehung des Lebens. Es begann etwas, das wir heute "chemische Evolution" nennen. So nennt man die Synthese der organischen Grundbausteine des Lebens.

Chemische Evolution (Abiogenese)

Das Leben auf der Erde besteht aus verschiedenen chemischen Grundbausteinen: Nukleinsäuren, Proteinen und Lipiden. Bevor Leben entstehen kann, müssen diese drei Grundbausteine existieren. Der Prozess von chemischen Elementen hin zu erstem Leben ist die Abiogenese, auch chemische Evolution genannt.

Die Nukleinsäuren bilden das Erbgut, den Bauplan des Lebens. Erste Nukleinsäuren könnten sich auf der Erde, kurz nach deren Entstehung, aus in Meteoriten enthaltenen, organischen Molekülen gebildet haben. Als möglichen Entstehungsort sehen Forscher flache, warme Tümpel mit ausgeprägten Nass-Trockenzyklen auf der Urerde. Unter den dort herrschenden Bedingungen könnten sich Nukleotide, die chemischen Grundbausteine der Nukleinsäure zu dieser polymerisiert haben. [6]

Der zweite Grundbaustein des Lebens sind die Proteine, molekulare Werkzeuge, die in allen lebenden Organismen vielfältige Aufgaben erfüllen. Je nach Struktur ermöglichen sie Zellbewegungen, katalysieren chemische Reaktionen, erkennen Signalstoffe oder kopieren DNA.

Der dritte Grundbaustein sind die membranbildenden Lipide. Sie bilden infolge ihres besonderen chemischen Aufbaus Zellwände. Sie bestehen aus einem wasserabweisenden und einem wasserliebenden Teil und neigen deshalb dazu, sich mit anderen Lipiden zu kombinieren und so flächige und kugelförmigen Strukturen zu erzeugen. Sie könnten der wichtigste Bestandteil auf dem Weg zur Entstehung des Lebens gewesen sein, da sie in der Lage sind abgeschlossene Räume zu bilden, in denen die anderen chemischen Grundbausteine des Lebens ungestört miteinander interagieren, kombinieren und reagieren können.

Man glaubt heute, das sich irgendwann verschiedene, von einer Membran aus Lipiden umgebene komplexe chemische Moleküle kombinierten und so eine "biologische Maschine" bildeten, die sich selbst reproduzieren konnte. Diese erste mehr oder weniger zufällige Reproduktion war vermutlich nicht besonders effektiv aber sie muss gut genug gewesen sein, dass sich auch ihre Kopien reproduzieren konnten. Es existieren keine Fossile aus dieser Zeit und diese erste einfache Vorstufe des Lebens war verglichen mit dem später folgenden zu primitiv und nicht konkurrenzfähig. Es wurde daher von seinen Nachfolgern komplett verdrängt.

Die Erschaffung einer sich selbst reproduzierenden Biomaschine aus Molekülen ist nicht so absurd, wie es klingen mag. So bewies der Mathematiker John Horton Conway, dass man mit nur 4 einfachen Regeln eine virtuelle "Maschine" konstruieren kann, die in der Lage ist sich selbst reproduzierende Strukturen zu erzeugen. Er nannte seine Entdeckung folgerichtig auch "The Game of Life" ("Spiel des Lebens").

Prokaryoten - Das Leben beginnt

Die ersten Lebensformen waren Prokaryoten. Das sind einfache, einzellige Lebewesen ohne echten Zellkern. Sie waren für fast 2 Milliarden Jahren die einzigen Bewohner des Planeten und noch heute findet man Prokaryoten in Form von Bakterien und Archaeen auf der Erde. Letztgenannte zeichnen sich durch hohe Überlebensfähigkeit auch unter widrigen Bedingungen aus. Einige Stämme sind an extreme Umweltbedingungen angepasst und können Wassertemperaturen über 80° C, sehr niedrige bzw. sehr hohe pH Werte, Salzgehalte oder auch Drücke überleben. [3]

Das Hadaikum ist der älteste Abschnitt der Erdgeschichte. Es umfasst die Zeit von der Entstehung der Erde bis vor ungefähr 4 Milliarden Jahren. Mikrobielle Matte, die von extremophilen Archebakterien gebildet wird. Krusten aus Eisen und Kieselsäure können die Mikroben gegen die UV-Strahlung der Sonne schützen. (Bild: Randolph Femmer (USGS); Originalbild; Gemeinfrei)

Im Hadaikum und Archaikum war das wenige bereits existierende Land oberflächlich weitgehend steril, denn in der Atmosphäre gab es noch keine, vor der UV-Strahlung der Sonne schützende, Ozonschicht aus molekularem Sauerstoff (O3). Es gibt aber Hinweise darauf, dass sich das Leben in Form von Bakterien und Archaeen in heißen Quellen und Geysiren auch an Land früh entfalteten konnte [7]. Die dort lebenden biofilmbildenden Organismen sind häufig von Krusten aus Eisen und Kieselsäure umgeben, welche sie vor der UV-Strahlung der Sonne schützen können [11].

Das Leben sollte für eine sehr lange Zeit einzellig bleiben. Möglich ist, dass anhaltendes oder wiederkehrendes Bombardement mit Meteoriten und Asteroiden in der Frühgeschichte der Erde Entwicklungsfortschritte wiederholt verhindert oder vernichtet hat. Ein solcher Entwicklungsschritt ist beispielsweise die Fähigkeit zur Photosynthese.

Photosynthese

Bändererze sind eisenreiche Sedimentgesteine und indirekte Zeugnisse früher Photosynthese. Der im Meer von Zyanobakterien freigesetzte Sauerstoff oxidierte die im Wasser vorhandenen zweiwertigen Eisenionen zu dreiwertigem Eisen, das sich in Sedimentschichten ablagerte. (Foto: André Karwath; via Wikimedia Commons; CC BY-SA 2.5)

Das Universum wird von den Elementen Wasserstoff und Helium dominiert, doch auf der Erde ist Sauerstoff das häufigste Element. 20 % Der Atmosphäre bestehen aus Sauerstoff und er macht heute, in Form von Oxiden fast die Hälfte der Masse der Erdkruste aus. Doch in seiner freien, molekularen, Form gab es den reaktionsfreudigen Sauerstoff in den ersten 2 Milliarden Jahre der Erdgeschichte praktisch nicht. Er war im Kohlendioxid der Atmosphäre, im Meerwasser und in Gesteinen gebunden. Einen Prozess der Sauersoff freisetzen konnte, gab es lange Zeit nicht. Woher sollte die dafür notwendige Energie auch kommen?

Vor ungefähr 3500 Millionen Jahren, im Archaikum entwickelten die ersten Mikroorganismen die Fähigkeit zur Photosynthese. Damit konnten sie erstmals Licht nutzen, um energiereiche Biomoleküle aus den energieärmeren anorganischen Stoffen Kohlenstoffdioxid und Wasser zu erzeugen. Als Abfallprodukt würde molekularer Sauerstoff entstehen. Das Leben hatte sich eine neue Energiequelle erschlossen: Die Sonne.

Die Fähigkeit zur Photosynthese sollte die Erde langsam aber sicher komplett verändern und dem Leben letztendlich den Weg auf das Festland öffnen. Doch für die nächsten 1000 Millionen Jahre gelangte kein Sauerstoff in die Atmosphäre. Er wurde bei der Oxidation von, durch unterseeischen Vulkanismus, ins Meer freigesetzten mineralischen Bestandteilen des Wassers gebunden. Noch heute zeugen eisenreiche Bändererzvorkommen von den wiederkehrenden, oft Millionen Jahre langen Oxidationsphasen in dieser Zeit.

Das Archaikum war ein 1500 Millionen Jahre langes Erdzeitalter. Die ersten Prokaryoten begannen mit der Photosynthese. Der freigewordene Sauerstoff oxidierte zunächst nur die, in den Ozeanen gelösten Minerale und gelangte nicht in die Atmosphäre. Nach häufigen Meteoriteneinschlägen begann sich die Erdoberfläche langsam zu konsolidieren. In der zweiten Hälfte des Archaikums begannen sich erste Urkontinente zu bilden.

Die Sauerstoffkatastrophe

Einstmals bevölkerten Archaebakterien den gesamten Planeten. Heute findet man sie hauptsächlich an extremen Lebensräumen wie heißen Quellen in einer Umgebung die reich an Schwefelwasserstoff ist. Für solche Lebensformen ist eine sauerstoffreiche Atmosphäre ein extremer Lebensraum. (Foto: Ingo Berg)

Ab einem bestimmten Zeitpunkt waren die im Meer gelösten Minerale weitgehend oxidiert und der Nachschub durch Vulkanismus und Plattentektonik war zu gering um weiterhin den kompletten, bei der Photosynthese entstehenden, Sauerstoff zu binden. Für das Leben war die Photosynthese ein Erfolgsmodell, sie würde nicht aufhören aber jetzt gab es nichts mehr, das den Sauerstoff binden konnte und so begann der Sauerstoffanteil zunächst im Meerwasser und danach auch in der Atmosphäre zu steigen. Zunächst nur wenig, doch das sollte reichen, um der Entwicklung des Lebens auf der Erde eine komplett andere Richtung zu geben.

Mit dieser, nun ungehinderten, Sauerstoffanreicherung in den Lebensräumen der Erde, setzte ein erstes Massenaussterben ein, denn Sauerstoff war giftig für viele der prokaryotischen Lebensformen dieser Epoche. Die Umstellung eines gesamten Biosystems von anaerobem zu aerobem Stoffwechsel hatte begonnen. Anaeroben Stoffwechsel findet man heute hauptsächlich bei den Archaebakterien. Das sind die einzigen bekannten Überlebenden der großen Sauerstoffkatastrophe. Sie besiedeln sauerstoffarme, extreme Lebensräume wie heiße vulkanische Quellen oder "Schwarze Raucher". Es gibt heute zwar auch einige bekannte Eukaryoten mit anaerobem Stoffwechsel, doch diese begannen Ihre Entwicklung in der Regel als aerobe Lebensformen, welche anaeroben Stoffwechsel erst später als Anpassung an einen extremen Lebensraum entwickelten.

Die Eukaryoten

Organisation einer typischen eukaryotischen Tierzelle: 1. Nucleolus (Kernkörperchen) 2. Zellkern (Nukleus) 3. Ribosomen 4. Vesikel 5. Raues (Granuläres) ER (Ergastoplasma) 6. Golgi-Apparat 7. Cytoskelett 8. Glattes (Agranuläres) ER 9. Mitochondrien 10. Lysosom 11. Cytoplasma (mit Cytosol und Cytoskelett) 12. Peroxisomen 13. Zentriolen 14. Zellmembran
(Bildquelle: Kelvinsong; via Wikimedia Commons; CC0)

Die Prokaryoten existierten nun schon für 2 Milliarden Jahre und besiedelten mit der Zeit die verschiedensten Lebensräume. Doch ihre Komplexität, Größe und letztendlich auch ihr Entwicklungspotenzial blieb beschränkt. Es war die durch Photosynthese gewonnene Fähigkeit Sauerstoff zu generieren, welche die Voraussetzungen für die Entstehung einer neuen Domäne des Lebens schuf: Die Eukaryoten. Diese Domäne enthält heute alle Pilze, Pflanzen und Tiere der Erde, fast die Gesamtheit des mehrzelligen Lebens. Es war ein entscheidender Schritt für die Entwicklung höherer Lebensformen und vielleicht auch ein extrem unwahrscheinlicher.

Eukaryotische Zellen sind im Mittel 10 bis 15 tausend mal größer als prokaryotische. Sie haben einen Zellkern, in dem sich, in Chromosomen verpackt, das Erbgut befindet. Ihre Zellen bestehen aus verschiedenen Zellorganellen, die wie die Organe eines Körpers unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen. Darunter befinden die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen. Sie verfügen über eigenes Erbgut und erzeugen mittels der Atmungskette Adenosintriphosphat (ATP), ein energiereiches Molekül das als Treibstoff der Zellen dient. Eukaryoten benötigen für ihren Stoffwechsel Sauerstoff zum Überleben. (Es gibt heute lediglich eine einzige bekannte Art, welche die Fähigkeit zur Sauerstoffatmung verloren hat: Henneguya zschokkei, ein mehrzelliger Lachsparasit.)

Wie genau sich Prokaryoten zu Eukaryoten entwickelten ist nicht klar. Es gibt keine bekannten Zwischenstufen. Nach der Endosymbiontentheorie könnten die Mitochondrien einst eigenständige, Sauerstoff nutzende Bakterien gewesen sein, die ihren Energieüberschuss im Austausch für andere Stoffe an benachbarte Prokaryoten abgegeben haben. Im Verlauf der Zeit wurde diese Symbiose enger und die eine Zelle wurde in die andere aufgenommen. Die neue Zelle hatte nun wesentlich mehr Energie als vorher und konnte so größer werden. (nach [8])

Die ersten Eukaryoten tauchten vor ungefähr 2000 Millionen Jahren auf, am Ende der sogenannten Sauerstoffkatastrophe. Es gab erstmals in der Erdgeschichte, wenn auch noch in geringem Umfang, freien atmosphärischen Sauerstoff. In der Zeit zwischen 1800 und 800 Millionen Jahren stagnierte die Entwicklung. Der Sauerstoffanteil in der Atmosphäre war gering und stieg nicht weiter an. Die Ozeane waren vorwiegend von aneroben Zyanobakterien besiedelt, die anstelle von Wasser Schwefelwasserstoff für die Photosynthese verwenden und Schwefel anstelle von Sauerstoff freisetzen.

Die "Boring Billion" und mehrzelliges Leben

Ein Fossil der Art Bicellum brasieri. Diese im Jahr 2021 entdeckte Art stellt mit einem Alter von 1 Milliarde Jahren die ältesten bekannten Fossile mehrzelliger Organismen. Es könnte zur Ahnenreihe der Tiere gehören. (Bildquelle: Paul K. Strother, Martin D. Brasier, David Wacey, Leslie Timpe, Martin Saunders, Charles H. Wellman; aus [9]; via Wikipedia.org; CC BY 4.0)

Nach der Entwicklung der ersten Eukaryoten kehrt zunächst eine Phase der Ruhe ein. Im englischen Sprachraum nennt man diese Zeit "The Boring Billion" zu deutsch: "Die langweilige Milliarde". Es war eine Zeit tektonischer und klimatischer Stabilität, in der die Evolution zu stagnieren schien. Der Sauerstoffanteil der Erdatmosphäre ging zurück. In den nährstoffarmen Ozeanen dieser Zeit könnten anerobe Zyanobakterien Photosynthese auf Basis von Schwefelwasserstoff anstelle von Wasser betrieben haben. [10]

Trotz der vermeintlichen Ereignislosigkeit dieser Epoche gelangen den Eukaryoten einige entscheidende Entwicklungsschritte. So fällt die Entstehung neuer Zellorganellen, die Herausbildung der sexueller Reproduktion, erstes mehrzelliges Leben und die Diversifikation der Eukaryoten in Pilze, Tiere und Pflanzen in diese Zeit. Noch dominierten die Zyanobakterien, doch erste eukaryotische Vorläufer der Flechten begannen das Festland zu besiedeln. [10]

Insgesamt benötigte das Leben auf der Erde von seiner Entstehung bis zur Mehrzelligkeit ungefähr 3,5 Milliarden Jahre. Nach dieser Zeitspanne sah das am höchsten entwickelte Lebewesen welches man der Ahnenreihe der Tiere zuordnen könnte, wie im Bild rechts dargestellt aus. Es zeigt den Mehrzeller Bicellum brasieri, einen mikroskopisch kleinen, kugelförmigen Organismus. Gefunden wurde er in den versteinerten Sedimenten eines urzeitlichen Sees im heutigen Schottland (Diabaig Formation).

Anmerkung:
Die ältesten bekannten Mehrzeller könnten auch die sogenannten Gabun-Makrofossilien sein. Diese auch als Gabonionta bezeichneten Funde wurden 2010 erstmals beschrieben. Sie wären mit einem Alter von 2.1 Milliarden Jahren deutlich älter als Bicellum brasieri. Sollten sie einen biologischen Ursprung haben, dann würden sie die Datierung der ersten mehrzelligen Organismen signifikant vorverlegen [12]. Derzeit ist ihre Einordnung jedoch noch umstritten.

Das Ende vom Anfang

Schneeball Erde. Künstlerische Darstellung einer komplett eingefrorenen Erde. (Urheber: Oleg Kuznetsov / 3depix; CC BY-SA 4.0)

Die Zeit der Stabilität auf der Erde sollte zu Ende gehen. Was folgte, waren mehrere, Millionen Jahre lange Eiszeiten in denen der Planet komplett einfror. Perioden, die wir heute "Schneeball Erde" nennen. Ist ein Planet einmal eingefroren, reflektiert der helle Schnee den größten Teil der Sonnenstrahlung direkt wieder ins All zurück. Ein geologisch weniger aktiver Planet wäre möglicherweise in einer Milliarden Jahre langen Eiszeit verblieben. Doch die Erde schaffte es durch Vulkanismus immer wieder sich vom Eis zu befreien.

Die planetaren Vereisungen waren Extremereignisse und wahrscheinlich eine existenzielle Herausforderung für das gerade entstandene mehrzellige Leben. Es musste sich anpassen oder würde aussterben und das Feld wieder den einfacheren Prokaryoten überlassen, denn es gab auch in der ewigen Dunkelheit unter dem Eis weiterhin genügend "dunkle Raucher", an denen sich diese primitiveren Arten wohlfühlten. Doch die Eukaryoten starben nicht wieder aus. Im Gegenteil: Im Neoproterozoikum, hatten sie alle grundlegenden Merkmale erworben, die es ihnen später ermöglichen sollten in einer, für die Erdgeschichte einzigartigen Geschwindigkeit, zunächst die Ozeane und danach auch das Land zu dominieren.

Die Ozonschicht - Globaler Schutzschild des Lebens

Bis jetzt war der verfügbare Lebensraum noch immer hauptsächlich auf das Wasser beschränkt. Nur dort war es möglich der, von der Sonne ausgehenden, UV-Strahlung auszuweichen. Das begann sich langsam zu ändern, denn der durch Photosynthese, freigesetzte Sauerstoff reicherte sich in der Atmosphäre an und bildete vor 600 Millionen Jahren erstmals eine, die UV-Strahlung blockierende, Ozonschicht heraus.

So könnte die Erde im Neoproterozoikum während der Gaskiers-Eiszeit ausgesehen haben. Sie zeigte noch immer keine offensichtlichen Spuren terrestrischen Lebens. Es gab nur mikrobielles Leben in Form von Archaeen und Cyanobakterien. Doch in den Ozeanen bahnten sich sich große Veränderungen an. (Bild: Eigenes Werk; KI-generiert)

Auf den ersten Blick wäre die Erde noch ein scheinbar lebloser, vulkanisch aktiver Gesteinsplanet mit Meeren, mächtigen Polkappen und einer bläulich schimmernden Atmosphäre. An Land hätte man im Neoproterozoikum nur mikrobielle Matten in der Nähe heißer Quellen finden können. Doch am Ende des Proterozoikums hatte sich das Leben einen atmosphärischen Schutzschild gegen die tödliche UV-Strahlung der Sonne geschaffen. Aber das ist das nächste Kapitel im Buch des Lebens, und es beginnt in der Tiefsee, in einem Zeitalter, das wir Ediacarium nennen.

Literaturverzeichnis

  1. Jan de Vries, Bruce A. Curtis, Sven B. Gould und John M. Archibald: "Embryophyte stress signaling evolved in the algal progenitors of land plants" PNAS 115 (15); E3471-E3480; Erstveröffentlichung 2018-03-26
  2. Adam Mann: "Bashing holes in the tale of Earth’s troubled youth." Nature 553; 2018
  3. Wikipedia: "Archaeen - Wikipedia, die freie Enzyklopädie" Online; Stand 2. Januar 2022
  4. Pfizer.com: "How Genetically Related Are We to Bananas?" Online; Stand 6. Januar 2022
  5. bildungsserver.de: "Geschichte der Erdatmosphäre" Online; Stand 9. Januar 2022
  6. Ben K. D. Pearce, Ralph E. Pudritz, Dmitry A. Semenov, and Thomas K. Henning: "Origin of the RNA world: The fate of nucleobases in warm little ponds" PNAS 114 (43); 11327-11332; Erstveröffentlichung 2017-10-03
  7. University of New South Wales: "Oldest evidence of life on land found in 3.48-billion-year-old Australian rocks" online; via phys.org; abgerufen am 09.01.2022
  8. Jürgen Paeger: "Die Entfaltung des Lebens auf der Erde – 2; Der Weg zum vielzelligen Organismus" Online; abgerufen am 2021-01-10
  9. Paul K. Strother, Martin D. Brasier, David Wacey, Leslie Timpe, Martin Saunders, Charles H. Wellman: "A possible billion-year-old holozoan with differentiated multicellularity" Current Biology; Volume 31; Issue 12; p2495-2736, R763-R820; Online; Veröffentlicht 2021-04-13
  10. Wikipedia: "The Boring Billion" Wikipedia, The Free Encyclopedia.; Online; abgerufen am 2022-01-25
  11. Aleksandra M. Mloszewska, Devon B. Cole, Noah J. Planavsky, Andreas Kappler, Denise S. Whitford, George W. Owttrim, and Kurt. O Konhauser: "UV radiation limited the expansion of cyanobacteria in early marine photic environments" Nature Communications; DOI 10.1038/s41467-018-05520-x
  12. El Albani et al. "Large colonial organisms with coordinated growth in oxygenated environments 2.1 Gyr ago" Nature, 466, 100-104, doi:10.1038/nature09166