Was wir über die Entstehung des Lebens auf der Erde wissen. Eine Zeitreise ins Hadaikum zu den Anfängen des Lebens auf der Erde.
Die Ediacara-Fauna
Über die Entstehung des höheren Lebens auf der Erde
Darwins Dilemma
Charles Darwin 1868. (Quelle: Julia Margaret Cameron; Original auf Wikimedia Commons; Gemeinfrei)Lange Zeit galten Trilobiten und Brachiopoden als die ältesten erhaltenen Tierfossilien. Fossilien dieser Arten sind in den Sedimenten des Kambriums zahlreich dokumentiert und werden heute auf ein Alter von bis zu 540 Millionen Jahren datiert. Im Fossilienbestand der Erdgeschichte tauchen sie zusammen mit unzähligen anderen Arten praktisch aus dem Nichts auf.
Die schier unglaubliche Arten- und Formenvielfalt, die sich so plötzlich im Kambrium zeigen sollte, stellte auch Charles Darwin vor ein Problem, denn der Fossilienbestand seiner Zeit schien seiner Vorstellung von einer graduellen Evolution zu widersprechen. Wo waren die von ihm vorhergesagten Übergangsformen?
Nach seiner Theorie von der Entstehung der Arten durch natürliche Auslese wäre eine, mit der Zeit zunehmende Artenvielfalt zu erwarten gewesen. Der damals bekannte Fossilienbestand deutete jedoch darauf hin, dass im Kambrium sehr plötzlich die Grundbaupläne aller bekannten Arten auf einmal entstanden. So plötzlich, dass man heute von der "kambrischen Artenexplosion" spricht.
"Es ist sehr schwierig, einen guten Grund für das Fehlen von riesigen, fossilreichen Schichten unter dem kambrischen System zu finden.
Charles Darwin im Buch "Über die Entstehung der Arten" von 1859
Das offensichtliche Fehlen von Übergangsformen im Fossilienbestand behinderte lange die Akzeptanz seiner Evolutionstheorie. Doch Charles Darwin wusste auch, dass das Wissen seiner Zeit noch zu unvollständig war, um dieses Dilemma aufzuklären.
Wir haben heute ein besseres Bild von der Entstehung der Arten als Charles Darwin und auch ein besseres Verständnis für die Ursachen der Lücken im Fossilienbestand. Übergangsformen könnten beispielsweise nur relativ kurzlebig gewesen sein und daher deutlich seltener in Form von Fossilien erhalten geblieben sein.
Ob dieses Dilemma als gelöst betrachtet werden kann, ist nach wie vor umstritten. Ein wichtiger Beitrag zum Verständnis des Fossilbestandes wurde jedoch durch eine Vielzahl von präkambrischen Fossilienfunden in den letzten 150 Jahren geleistet. Heute wissen wir, das komplexes, mehrzelliges Leben nicht erst im Kambrium entstand, denn bereits davor gab es ein Zeitalter mit einer Vielfalt an seltsamen Lebewesen, die den Meeresboden besiedelten: Das Ediacarium.
Ediacarium - Die Entdeckung eines neuen Zeitalters
In der Forschung setzen sich neue Ideen oftmals nicht durch, indem etablierte Wissenschaftler von ihnen überzeugt werden, sie setzen sich erst dann durch, wenn Nachwuchswissenschaftler, die mit neuen Theorien vertraut sind ihre Amtsvorgänger ersetzen. Pensionierungen trugen häufig mehr zum wissenschaftlichen Fortschritt bei als Überzeugungsarbeit.
Abraham Gottlob Werner, der "Vater" der deutschen Geologie, glaubte beispielsweise irrtümlich bis zu seinem Tod, das alle Gesteine Sedimentgesteine sind und lieferte sich darüber einen jahrzehntelangen erbitterten Streit mit seinen Gegnern, der als "Plutonismus-Neptunismus-Streit" in die deutsche Wissenschaftsgeschichte einging. Es sollte also nicht überraschen, dass auch die Entdeckung der ältesten komplexen vielzelligen Lebensformen ein Lehrstück über das Beharrungsvermögen eines etablierten aber überholten wissenschaftlichen Konsens ist.
Die Scheibenfossile von Alexander Murray und Elkanah Billings (1868/1872)
Zeichnung von Aspidella terranovica, angefertigt von Elkanah Billing, veröffentlicht in der Zeitschrift "The Canadian Naturalist" (1872; Ausgabe VI; Seite 478)Aspidella-Scheiben auf einer Schichtfläche der Fermeuse-Formation bei Ferryland, Neufundland. (Foto: Martin Smith; via Wikimedia Commons; CC BY-SA 4.0)
Rechts: Reconstruktion einer Charnia masoni (Matteo De Stefano/MUSE; Original; CC BY-SA 3.0)
Links: Abguss einer Charnia masoni im Wrexham Museum, Wales. (Foto: User Rept0n1x at Wikimedia Commons; Originalbild; CC BY-SA 3.0)
Die ersten Entdeckungen auf dem Weg zur Vervollständigung unseres Bildes vom frühen Leben wurden im 19. Jahrhundert in Neufundland (Kanada) gemacht. Der schottische Geologe Alexander Murray entdeckte im Jahr 1868 scheibenförmige Fossile, die vier Jahre später von seinem Kollegen, dem Paläontologen Elkanah Billings in einem Artikel für die Zeitschrift "The Canadian Naturalist" als Fossile der Art Aspidella terranovica beschrieben wurden. Ihre Größe lag zwischen wenigen Millimetern und 18 Zentimetern und sie hatten konzentrische Ringe und/oder radial vom Zentrum ausgehende Strahlen.
Es waren die ersten Funde größerer Fossilien in Gesteinsschichten, die älter als das Kambrium waren [3]. Doch seine Entdeckung wurde angezweifelt und die Fossile wurden als Ergebnis natürlicher geologischer Prozesse, wie zum Beispiel Rückstände von platzenden Gasblasen fehlinterpretiert. Die Existenz von makroskopischem Leben vor dem Kambrium, schien damals noch zu abwegig.
Die Ediacara-Hügel im südlichen Australien (1946)
Reginald Sprigg war ein australischer Geologe und Paläontologe, der 1946 im Auftrag des südaustralischen Bergbauamtes stillgelegte Minen in den Ediacara-Hügeln untersuchte. Dabei handelt es sich um eine Reihe flacher Hügel, auf denen seit dem 19. Jahrhundert Kupfer und Silber abgebaut wurden. Ziel war es herauszufinden, ob die stillgelegten Bergwerke mit moderner Technik wirtschaftlich betrieben werden konnten.
Die Hügel bestehen aus flachen Sandsteinschichten, die einst Meeresboden bildeten. In ihnen fand Sprigg einige scheibenförmige Abdrücke, die offenbar von Weichtieren stammten. Er hielt sie irrtümlich für Quallen und erkannte, dass seine Funde sehr alt sein mussten, möglicherweise sogar präkambrisch. Also schrieb er einen Artikel über seine Entdeckungen, den er an das Magazin "Nature" schickte. Der Artikel wurde abgelehnt. Zwei Jahre später, im Jahr 1948, präsentierte er seine Ergebnisse auf dem Internationalen Geologischen Kongress auch dort ohne auf viel Zustimmung zu stoßen. Präkambrisches Leben schien immer noch zu abwegig.
Die Ediacara-Hügel sollten sich jedoch als reichhaltige Fundstätte erweisen, in der man unter anderem Fossile der Arten Charnia masoni, Kimberella, Dickinsonia und auch der nach Sprigg bekannten Art Spriggina fand. In dieser Region fand man im Jahr 2005 auch erste Hinweise darauf, dass sich Dickinsonia und Kimberella fortbewegen konnten. [5]
Entdeckungen im Charnwood-Forest (1956)
Tina Negus war im Jahr 1956 eine 15 jährige Schülerin mit Interesse für Geologie. Sie hatte ihre Familie von einem Besuch im Charnwood-Forest überzeugt wo sie in einem abgelegenen Steinbruch unterseeische Vulkanablagerungen aus dem Präkambrium suchte. Dabei entdeckte sie den Abdruck eines seltsamen farnartiges Fossils im Gestein. Sie legte es frei und fertigte einen Abdruck auf Papier an. Als Sie diesen später ihrem Geographielehrer zeigte, glaubte dieser nicht, dass es sich um ein Fossil handeln könnte bzw. das es keines aus dem Präkambrium sein könne. Auch ihre eigene Nachforschungen ergaben, wenig überraschend, keine Informationen zu diesem Fund. Aber der Fund ließ sie nicht los, und im folgenden Jahr wollte Sie "Ihr" Fossil wiedersehen. Es war verschwunden... [4], [12]
Gefunden hatte es der 16 Jährige Roger Mason, der im Charnwood-Forest im nordwestlichen Leicestershire in England mit Freunden bergsteigen wollte. Auch er fertigte einen Abdruck an. Diesen zeigte er dem Geologen Trevor D. Ford, der nun endlich dessen Bedeutung erkannte. Seine Veröffentlichung im "Journal of the Yorkshire Geological Society" fand internationale Beachtung. Die von Negus und Mason gefundene Art ist heute als "Charnia masoni" bekannt und gehört zu den Rangeomorpha einer der bedeutendsten Gruppen dessen, was wir heute als die Ediacara-Fauna bezeichnen. Charnia masoni war ein bis dahin einzigartiger Fund, der keine Interpretationsspielräume mehr frei ließ. Der fraktale, farnähnliche Aufbau machte klar, dass es sich hierbei nicht um eine geologisch entstandene Struktur handeln konnte. Was immer es war, es hatte gelebt.
Erst 1957 setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Geschichte des höheren Lebens auf der Erde nicht erst im Kambrium begann. Seit 2004 wird dieser geochronologische Abschnitt der geologischen Zeitskala als Ediacarium bezeichnet. Es ist die letzte Ära des Neoproterozoikums, die vor vor 635 Millionen Jahren begann und vor 541 Millionen Jahren endete. In diese Zeit datieren wir heute die ältesten bekannten tierischen Fossilien der Erdgeschichte.
Die Erde im Neoproterozoikum
Globale Eiszeiten im Cryogenium
Das Ediacarium folgt dem Cryogenium. Das war eine erdgeschichtlichen Periode, in der die Erde über Millionen von Jahren fast vollständig von Eis bedeckt war. Es waren Eiszeiten der Superlative. In den letzten 500 Millionen Jahren hat die Erde nichts vergleichbares erlebt. Die Eisbedeckung reichte bis zum Äquator und die Erde zeigte sich als "Schneekugel".
Nachdem in der Mitte des 20. Jahrhunderts die Theorie der Kontinentalverschiebung etabliert war, erkannte man, dass auf Spitzbergen und Grönland gefundene Geschiebemergelablagerungen entstanden sein mussten, als diese Regionen noch in den Tropen lagen. Zum einen unterbrachen die Gletscherablagerungen Sedimentschichten, wie sie normalerweise in tropischen Regionen zu finden sind. Zum Anderen deuteten auch geomagnetische Untersuchungen auf einen tropischen Ursprung hin. [6]
Die Entstehung der Artenvielfalt auf der Erde begann mit der Ediacara Fauna im Ediacarium, welches auf das Cryogenium folgte, in dem die Erde mehrfach komplett vereiste. Die neu entstandenen Lebensformen starben jedoch mit oder kurz nach der kambrischen Artenexplosion wieder aus.Ist ein Planet einmal eingefroren, reflektiert der helle Schnee den größten Teil der Sonnenstrahlung direkt wieder ins All zurück. Ein geologisch weniger aktiver Planet wäre möglicherweise in einer Milliarden Jahre langen Eiszeit verblieben. Doch die Erde schaffte es durch Vulkanismus immer wieder sich vom Eis zu befreien. Unmittelbar vor dem Aufkommen der Ediacara-Fauna endete die Gaskiers-Eiszeit. Sie war die letzte und kürzeste von drei Vereisungen im Neoproterozoikum. Ihre Dauer wird zwischen 340 tausend und ein bis zwei Millionen Jahren angegeben. Das Ausmaß der Vereisung ist umstritten, möglicherweise kam es nicht zu einer Komplettvereisung des Planeten und einige wenige Breiten blieben eisfrei.
Das Ende dieser Eiszeit ging mit einem Temperaturanstieg einher und führte wahrscheinlich zur Bildung größerer Flachwasserzonen im Bereich der Kontinentalschelfe. Darüber hinaus wurde nach der globalen Vereisung vermutlich der Nährstoffeintrag über die Flüsse ins Meer erhöht, was zu einer gesteigerten Bioaktivität photosynthetischer Einzeller geführt haben dürfte. In der Folge kam es zu einem raschen Anstieg der Sauerstoffkonzentration im Meer und in der Atmosphäre, wodurch erstmals in der Erdgeschichte die Grundlage für die Entstehung größerer Lebewesen gegeben war.
Die Erde in der Mitte des Ediacarium vor 600 Millionen Jahren. Das Eis hat die mittleren Breiten freigegeben und in den Meeren entstanden viele flache Schelfbereiche. (Quelle: Christopher Robert Scotese; Paläomap Project; Lizenzinformationen)Meeresboden als Lebensraum
Die Lebewesen des Ediacariums gehören zu den ältesten bekannten großen Vielzellern (Metazoa). Sie haben keine heute bekannten Nachkommen. Die Gruppe bestand hauptsächlich aus schalen- und skelettlosen Weichtieren, die sich von, im Wasser gelösten, Nährstoffen und den am Meeresboden vorhandenen Biomatten ernährten.
Bei der Einordnung der Fossilienfunde half die Tatsache, dass einige der Schichten, in denen Fossilien gefunden wurden, aus Meerestiefen um 1000 Meter stammen mussten. Ein Beispiel dafür sind die reichen Funde vom "Mistaken Point" in Neufundland. In diese Tiefen dringt kein Licht vor, und so war klar, dass es sich bei den dort gefundenen Arten nicht um Pflanzen handeln konnte, da diese auf Photosynthese angewiesen sind.
Von der Vielzahl der mittlerweile bekannten präkambrischen Fundstellen wissen wir, dass das Leben im Ediacarium nicht auf die Tiefsee beschränkt war. Auch am Boden der flachen Schelfbereiche der Meere breitete es sich aus. Doch der Meeresboden im Proterozoikum und dem frühen Kambrium war nicht, wie heute, von weichem Sand und Schlamm bedeckt sondern mit Bakterienmatten. Diese Millimeter bis Zentimeterdicken Matten bedeckten die Sedimente uns schufen so eine harte Oberfläche. Sie war so hart und dick, dass an vielen präkambrischen Fundstellen der Meeresboden fossil erhalten geblieben ist. Dieser fossile Meeresboden wird im englischen auch als "Elefant Skin" (deutsch: "Elefantenhaut") bezeichnet.
Fossiliengemeinschaften der Ediacara-Fauna
Fossiliengemeinschaften sind Ansammlungen von Fossilien verschiedener Organismen, die in einem bestimmten geologischen Zeitalter und in einer bestimmten Umgebung gemeinsam gelebt haben. Sie geben Aufschluss über die Zusammensetzung von Lebensräumen und Ökosystemen in der Vergangenheit und ermöglichen es Paläontologen und Geologen, die Evolution und die Umweltveränderungen über lange Zeiträume zu rekonstruieren.
Die Ediacara-Fauna ist eine Makrofossiliengemeinschaft aus der Zeit des Neoproterozoikums. Sie beinhaltet im wesentlichen Fossilien von schalenlosen Organismen mit weichem Körperbau und einem Alter von etwa 580 Millionen bis hin zu einem Alter von 541 Millionen Jahren. Sie wird in drei weitere Fossiliengemeinschaften unterteilt:
- Die Avalongemeinschaft (580 - 559 Millionen Jahre)
- Die Weißes-Meer-Gemeinschaft (558 bis 550 Millionen Jahren)
- Die Nama-Gemeinschaft (549 bis 541 Millionen Jahren)
Diese repräsentieren unterschiedliche Zeit- und Lebensräume innerhalb der Ediacara-Fauna und spiegeln die Entwicklung des präkambrischen Lebens innerhalb des Ediacariums wieder.
Zeitliches Auftreten von Avalon, weißes Meer- und Nama-Gemeinschaften. (nach [10])Avalon-Gemeinschaft - Leben in der Tiefsee
Die Avalon-Gemeinschaft (579 - 559 Mio. Jahre) ist die älteste der drei Fossiliengemeinschaften des Ediacariums. Sie folgt zeitlich gesehen unmittelbar der Gaskiers-Eiszeit. Mit der Avalon-Gemeinschaft fasste das frühe Leben der Erde auf den harten, lichtlosen Bakterienmatten der urzeitlichen Tiefsee Fuß. Die Arten der Gemeinschaft sind schalenlose Lebewesen mit einem weichem Körperbau. Es sind im wesentlichen Arten mit fraktalem, farnartigem Bauplan aus der Gruppe der Rangeomorphia. Diese Gruppe ist die wohl bekannteste und langlebigste Artengruppe der Ediacara Fauna.
Rangeomorphs
Die Rangeomorpha sind eine der ältesten Gruppen von Lebewesen des Ediacarums. Sie dominierten die Ökosysteme der urzeitlichen Tiefsee. Vertreter dieser Art konnten in Schichten nachgewiesen werden, deren Alter auf 565 bis 555 Millionen Jahre bestimmt wurde. Optisch ähneln sie den heutigen Seefedern. Sie waren immobil und durch eine Haftscheibe mit dem Meeresboden verbunden. Ihre Aufbau war fraktal. Das bedeutet, dass ihre Struktur selbstähnlich ist. Ausgehend von einer Mittelachse verzweigt sich der Organismus und bildet Seitenäste an denen sich Strukturen bilden, die wie kleinere Kopien des ganzen Organismus aussehen.
Charnia Masoni, Fractofusus und Bradgatia sind Vertreter der Rangeomorpha. So könnte der Meeresboden in der Tiefsee am heutigen Mistaken Point im Ediacarium ausgesehen haben. (Bildschirmfoto aus dem Video MYSTERIOUS EDIACARAN ORGANISMS - Rangeomorpha; © Oleg Kuznetsov / 3D Epix Inc.)Ein solcher Körperbau könnte auf eine Strategie zur Maximierung der Gesamtoberfläche hindeuten, was für eine Ernährung durch Aufnahme gelöster Nährstoffe aus dem Wasser über die gesamte Oberfläche des Organismus sprechen könnte. Zu den bekanntesten Vertretern dieser Klasse zählt Charnia masoni und Fractofusus bei dem einzelne Exemplare der Art durch dünne Filamente miteinander verbunden waren. Diese Ausläufer könnten der Fortpflanzung gedient haben. Man geht davon aus, dass es sich weder um Pflanzen, noch um Tiere handelte, dass sie mit keiner heute bekannten Art näher verwandt waren und wahrscheinlich ausgestorben sind. Neben den Rangeomorpha sind auch Schwämme wie der kegelförmige 2.6-16.5 cm große, Thectardis avalonensis aus dieser Zeit fossil überliefert.
Arboreomorphs
Links: Fossiler Abdruck von Charniodiscus; Rechts: Eine morphologisch ähnliche Seefeder aus der Gegenwart. Ein Beispiel für konvergente Evolution, Verwandschaft zwischen beiden Arten besteht nicht.(Foto Links: Daderot; via Wikimedia Commons; Public Domain;
Foto Rechts: Nick Hobgood; via Wikimedia commons; CC-BY-SA 3.0)
Auch zur Klasse der Arboreomorphs gehören farnähnliche Lebensformen. Sie haben eine scheiben- oder knollenförmige Verankerung auf dem Meeresboden, einen zentralen Stamm
und Verzweigungen. Bei den "Ästen" handelte es sich um glatte, röhrenförmige Strukturen, die oft geschwollen und verzweigt waren und sich zu einer blattähnlichen
Struktur zusammenschlossen. Arboreomorphs unterscheiden sich von den Rangeomorphs durch das fehlen eines sich selbst wiederholenden, modularen Verweigungsmusters.
Ein bedeutender Vertreter der Arboreomorphs war Charniodiscus, der sich wie die Rangeomorphs vermutlich durch Filtration von Meerwasser ernährte.
(Anmerkung: In deutschen Quellen wird diese Klasse häufig den Rangeomorphs zugeschlagen)
Fundorte
Zu den bekannten Fundorten zählen Kanada (Neufundland; Mistaken Point) und England (Charnwood-Forest). Diese Fundorte lagen zur damaligen Zeit in relativ kühlen, polnahen Gebieten. Die Avalon-Gemeinschaft ist nur in Tiefseeablagerungen aus 1000 bis 1500 Meter Wassertiefe bekannt und fehlt in gleichaltrigen Sedimenten der Schelfmeere. Spurenfossile, wie sie mobile Lebewesen hinterlassen würden, sind nicht bekannt oder sehr selten. Das deutet darauf hin, dass das makroskopische Leben auf der Erde seinen Ursprung in der Tiefsee hatte und zunächst nicht mobil war. [8], [9]
Weißes-Meer-Gemeinschaft - Das Leben wird mobil
Die Fossiliengemeinschaft des Weißen-Meeres (vor 558 bis 550 Millionen Jahren) ist eine relativ kurzlebige Untergruppe innerhalb der Ediacara-Fauna. Sie ist nach der Region des Weißen Meeres im Nordwesten Russlands benannt, wo viele ihrer Fossilien entdeckt wurden. Der Fossilienbestand weist auf eine globale Verteilung der Arten, sowie eine Zunahme in der Besiedlung neuer Ökosysteme hin. Viele Arten, wie zum Beispiel die Erniettomorphs, Dickinsoniamorphs, Kimberellamorphs, Bilateralomorphs und Tetraradialomorphs traten erstmalig auf, während die Artenvielfalt unter den Rangeomorphs zurückging.
Man findet nun erstmals Spurenfossile, die auf eine gerichtete Fortbewegung einiger Arten hindeuten und fossile Fraßspuren zeigen, das die Lebewesen sich nun auch von den mikrobiellen Matten ernähren konnten. Bald hielten auch komplexere Verhaltensmuster Einzug. So deuten einige der Spurenfossile darauf hin, dass die einige der Arten bereits in der Lage waren von ihnen zuvor "abgegraste" Bereiche des Meeresbodens aktiv zu vermeiden.
Die Evolution experimentierte mit der Geometrie und brachte erstmals Lebewesen mit bilateraler Symmetrie hervor, eine Grundform im Bauplan des Lebens. Bilateralsymmetrische Lebewesen können durch einen Schnitt entlang ihrer Längsachse in zwei spiegelbildlich gleiche Hälften geteilt werden. Vertreter der Bilateria gelten als die frühesten Vertreter der Tiere. Die Vielfalt der Fossilien spiegelt sich auch in einer neuen Formenvielfalt wider. Man findet nun scheibenförmige, farnartige und röhrenförmige Organismen.
Rangeomorphs und Arboreomorphs
Die Artenvielfalt unter den Rangeomorphs ging in der Zeit der "Weißes Meer Gemeinschaft zurück. Mit Rangea trat jedoch auch erstmals eine neue Art mit Hexaradialer Symmetrie auf. Fossile Examplare sind in Größen von einigen Zentimetern bis hin zu einigen Dezimetern überliefert. Charniodiscus konnte für die gesamten Zeitspanne der Weißes Meer Gemeinschaft anhand verschiedener Funde nachgewiesen werden.
Dickinsoniamorphs (auch Dipleurozoa)
Vertreter dieser Klasse haben einen flachen, ovalen Körperbau. Sie sind segmentiert und haben auf den ersten Blick eine bilaterale Symmetrie. Bei genauem Hinsehen zeigt dich aber ein Versatz zwischen den Strukturen der Linken und der Rechten Körperseite. Vertreter dieser Klasse sind fossil in Größen von wenigen Millimetern bis hin zu 1,4 Metern überliefert und treten häufig in Kombination mit, von den einzelnen Exemplaren, zurückgelassenen Spuren im fossilen Meeresboden auf. Der bekannteste Vertreter dieser Klasse ist die namensgebende Dickinsonia. Diese Art wird seit der Entdeckung von Cholesteronmolekülen in Fossilien ins Tierreich eingeordnet.
(Bildschirmfotos aus dem Video MYSTERIOUS EDIACARAN ORGANISMS - The First Animals; © Oleg Kuznetsov / 3D Epix Inc.)Bilateralomorpha
Diese Klasse umfasst die Lebewesen des Ediacariums mit Bilateralsymmetrie. Zusammen mit den Dickinsoniamorphs werden sie zu den ersten mobilen tierischen Lebensformen gezählt. Auch sie lebten vermutlich auf dem Meeresboden. Ob einige von ihnen auch schwimmfähig waren ist noch unbekannt. Zu den Vertretern dieser Klasse gehören beispielsweise Spriggina, ein zweiseitig symmetrischer, wurmartiger Organismus mit einem segmentierten Körper. Sie war möglicherweise mit frühen Gliederfüßern oder Ringelwürmern verwandt. Parvancorina war ein kleiner (1-2 cm), schildförmiger Organismus, bei dem es sich möglicherweise um einen frühen Arthropoden, vielleicht sogar einen Vorfahren der Trilobiten handeln könnte. Kimberella war ein schneckenartiger Organismus, mit einer weichen, nichtmineralischen, Rückenplatte und einem gekräuselten Saum. Sie konnte bis zu 15 cm lang werden und lebte in seichtem bis 10 Meter tiefem Wasser, wo sie sich den Lebensraum mit Dickinsonia, Yorgia und auch Charniodiscus teilte.
Fundorte
Die Flinders Gebirgskette in Australien ist eine wichtige Fundstätte für Fossile der Weißes-Meer Gemeinschaft. (Foto: Iain Whyte; via Wikimedia Commons; CC-BY-SA-2.5)Bedeutende Fundorte sind die Region um das Weiße Meer in Russland und die Flinders Gebirgskette in Australien. Im Zeitalter des Ediacariums befanden sich diese auf ungefähr 15 Grad nördlicher Breite (Äquatorialregion) bzw. auf 60 Grad südlicher Breite (Polarregion). An beiden Fundstellen wurden die gleichen Fossiliengattungen gefunden, was auf deren globale Verteilung hindeutet auch wenn nicht alle Arten überall vertreten waren.
Nama-Gemeinschaft - Zeit der Würmer
Die Nama-Gemeinschaft der Ediacara Fauna war eine Gruppe primitiver, mehrzelliger Lebewesen, die vor etwa 550 bis 540 Millionen Jahren während des späten Ediacariums auf der Erde lebten. Aus der Nama Gemeinschaft sind Fossile der Klassen Rangeomorphs, Erniettomorphs, Arboreomorphs und Schwämme überliefert. Die Biodiversität ging massiv zurück und die meisten Arten der Weißes Meer-Gemeinschaft verschwanden. Als möglich Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt werden Massensterben durch Umweltkatastrophen oder die Verdrängung der etablierten Arten durch höher spezialisierte diskutiert, wobei die meisten Autoren die Verdrängung für wahrscheinlicher halten.
In der Zeit der Nama-Gemeinschaft sollten auch bislang so erfolgreiche Abstammungsgemeinschaften wie die der Rangeomorpha aussterben. Es war eine Zeit der Würmer. In Form von Bohrlöchern in Organismen wie Cloudina gibt erste Hinweise auf die Herausbildung eines Jagd- und Abwehrverhaltens. Cloudina waren millimetergroße Lebewesen, die aus übereinander gestapelten Kalziumkegel aufgebaut waren. Sie gehören zu den ältesten überlieferten schalenbildenden Lebewesen. Es wird vermutet, das die Bildung von Schalen eine Verteidigungsreaktion gegen räuberische Arten darstellte. Einige Cloudina-Exemplare aus China tragen die Spuren mehrerer Angriffe, was darauf hindeutet, dass sie zumindest ein paar davon überlebt haben. [10], [11]
Fundorte
Die Nama-Gemeinschaft ist fossil aus Flachwasserablagerungen in Namibia, dem Oman und China überliefert. Sie wurde aber auch in Ostsibirien in Ablagerungen aus tieferen Bereichen der Khatyspyt Formation gefunden.
Das Ende der Ediacara-Fauna
Gegen Ende der Ediacara-Fauna entstanden immer mehr Organismen, die besser darin waren, den harten Ozeanboden mit seinen mikrobiellen Matten zu durchbohren oder zu durchwühlen. Der wegen seiner Härte und Undurchdringlichkeit auch "Elefantenhaut" genannte Typ von Meeresboden verschwand langsam und mit ihm auch die, an ihn angepassten Organismen. Das "Leben" rüstete auf. Im, in der Entstehung begriffenen, Tierreich begann der Wettlauf zwischen Verteidigung und Angriff. Es würde nun Jäger und Gejagte geben. Die Zeit, in der schutzlose Weichtiere dominierten konnten war zu Ende.
Die Ediacara-Fauna verschwand vor etwa 540 Millionen Jahren. Die Ursachen für das Aussterben sind nicht abschließend geklärt aber es gibt nur wenige Funde, die nahelegen, das Organismen der Ediacara-Fauna ins Kambrium hinein überlebt haben könnten. Die meisten Arten verschwanden spurlos und ohne offensichtliche Nachfahren hinterlassen zu haben. Der erste Versuch makroskopischen Lebens auf der Erde Fuß zu fassen endete in einem Massensterben.
Ein Fehlgeschlagenes Experiment der Evolution?
Mit der Ediacara Fauna entstanden erstmalig auf der Erde makroskopische Lebensformen, die trotz aller Fremdartigkeit die wir heute für sie empfinden, eindeutig als lebendig zu erkennen waren. Im Theater des Lebens war Premierenzeit. Es war die Zeit der ersten tierischen Lebensformen, die Zeit in der das Leben die Mobilität entdeckte. Es war auch die Zeit, in der erstmals Symmetrie und fraktale Strukturen im Bauplan des Lebens auftauchten. Was die Ediacara-Fauna genau war und wie wir sie in den Baum des Lebens einordnen müssen, ist noch immer Gegenstand der Forschung. Waren es Vorläufer heute noch existierender Arten oder repräsentieren sie eine bislang unbekannte Gruppe von Lebewesen, die wieder vollständig ausgestorben ist? War es, wie oft vermutet, nur ein "fehlgeschlagenes Experiment" der Evolution?
Ein Experiment vielleicht, ein Fehlschlag sicher nicht. Wenn die Ediacara-Fauna nur ein fehlgeschlagenes Experiment war, dann sind auch Trilobithen und nicht flugfähige Dinosaurier nur fehlgeschlagene Experimente. Dann könnte, wenn das Buch des Lebens vollständig geschrieben ist, auch die Menschheit nur als fehlgeschlagenes Experiment darin auftauchen. Bei dieser Art der Bilanzierung sind in 500 Millionen Jahren alle Lebensformen der Erde außer den Archaeen fehlgeschlagene Experimente.
Wenn man den Baum des Lebens darstellt, dann steht LUCA (engl. Last Universal Ancestor), der letzte gemeinsame Vorfahre allen Lebens auf der Erde gewöhnlich im Zentrum. Auch wenn wir sie noch nicht genau zuordnen können, so ist die Ediacara-Fauna ein Teil im Baum des Lebens. Es ist keine Kuriosität oder nur ein unbedeutender Seitenzweig, sie dominierte den Planeten für 30 Millionen Jahre. Was immer unser direkter Vorfahre zu dieser Zeit war, existierte zusammen mit der Ediacara-Fauna oder war ein Teil von ihr. Es war die Antwort der Evolution auf ungenutzte Möglichkeiten, die ein neu entstandener Lebensraum bot. Die Lebensformen waren genau so komplex, wie sie sein mussten um erfolgreich zu sein und dass sie erfolgreich waren steht außer Frage. [7]
Die Evolution liebt den Wettbewerb und sie hat keine Favoriten. Nach 4.1 Milliarden Jahren Erdgeschichte war nun alles vorbereitet für das nächste Kapitel. Das Zeitalter des Lebens hatte begonnen und es sollte die Erde für immer verändern. Diese Veränderung kam mit einer solchen Radikalität und Schnelligkeit, dass wir heute von der kambrische Artenexplosion sprechen, doch die Zündschnur dafür wurde im Ediacarium gelegt.
Literaturverzeichnis
- Reinhard Junker: "Kambrische Explosion: Darwins Dilemma gelöst?" Studium Integrale Journal; 21. Jahrgang; Heft 1; Mai 2014; Seiten 38-40
- Guy M. Narbonne, Marc Laflamme, Carolyn Greentree, Peter Trusler: "Reconstructing a Lost World: Ediacaran Rangeomorphs from Spaniard's Bay, Newfoundland" Journal of Paleontology; 83(4); 2009; Seiten 503–523
- Calla Carbone: "The Ediacaran Period: Glimpses of the Earth's Earliest Animals" Youtube; online
- Rebecca Wragg Sykes: "Tina Negus" trowelblazers.com; online
- ediacaran.org: The Flinders Ranges, South Australia ediacaran.org; online; abgerufen am 2023-01-27
- W. B. Harland: "Critical evidence for a great infra-Cambrian glaciation" International Journal of Earth Sciences. 54 (1): 45–61; doi:10.1007/BF01821169
- Frances S. Dunn, Alexander G. Liu: "Viewing the Ediacaran biota as a failed experiment is unhelpful" Nature Ecology & Evolution 3; Pages 512-514; 2019; https://doi.org/10.1038/s41559-019-0815-4
- Chris Clowes: "Ediacaran Assemblage" online
- Wikipedia: "Ediacara-Fauna - Wikipedia, die freie Enzyklopädie" online, abgerufen 2023-04-28
- M. Laflamme, S. Darroch, S. Tweedt, K. Peterson, D. Erwin: "The end of the Ediacara biota: Extinction, biotic replacement, or Cheshire Cat?" Gondwana Research. 23. 558–573. 10.1016/j.gr.2012.11.004
- Wikipedia: "Cloudinidae" Wikipedia, The Free Encyclopedia, online, abgerufen 2023-04-28
- Tina Negus: "Charnia masoni Leicester Museum" online article about finding Charnia Masoni, Flickr, abgerufen 2023-04-30