Von Mond- und Marszivilisationen. Über die historischen Anfänge der Suche nach Leben im All.
Wie Terra-X am Flat-Earth-Debunking scheiterte
Unter der Programmarke Terra-X strahlt das ZDF seit Jahren eine Vielzahl an Wissenschaftsdokumentationen aus den verschiedensten Fachgebieten aus. Es handelt sich um "Edutainment", eine Mischung aus Unterhaltungs- und Bildungsfernsehen. Im Oktober 2020 veröffentlichte man die Folge "Ein Fall für Lesch & Steffens" - Die Wahrheit über die Lüge. So heißt sie jedenfalls in der ZDF-Mediathek, auf Youtube wurde sie unter "Verschwörungstheorien - Ein Fall für Lesch & Steffens" veröffentlicht. Eine der darin behandelten Verschwörungstheorien ist die der flachen Erde. Um diesen Teil der Sendung soll es hier gehen.
Externer Inhalt: Link zum ZDF; Video "Ein Fall für Lesch & Steffens - Streiten für die Wahrheit" des Kanals von Terra-X.Wir wissen heute, dass die Erde in guter Näherung kugelförmig ist. Flach ist sie definitiv nicht. Das ist seit Jahrhunderten geklärt und die Theorie der flachen Erde wird heute nur von wenigen Menschen ernsthaft vertreten. Es ist eine bunte Mischung aus religösen Fundamentalisten, Verschwörungstheoretikern und Wissenschaftstrollen.
Es werden Kongresse veranstaltet, Bücher und T-Shirts verkauft und mit Podcasts und Videos werden Werbeeinnahmen erzielt und neue Anhänger gewonnen. Einige der Protagonisten dieser Bewegung sind medienerfahren und wissen genau, wie sie mit tatsächlichen physikalischen Gleichungen und Modellen argumentieren können um Laien argumentativ zu überfahren. Sie arbeiten wie wissenschaftliche Trickbetrüger.
Ein durchaus interessantes Thema für eine populärwissenschaftlicher Sendung, doch der Versuch von Terra-X sich dieser Thematik zu widmen war gezeichnet von inhaltlichen Fehlern und Ungenauigkeiten. Es war der Sieg der Verpackung über den Inhalt, Naturwissenschaft vereinfacht bis zur Unkenntlichkeit.
Objektivverzerrung mit Erdkrümmung verwechselt
Der erste Fehler passiert gleich am Anfang. Es werden Videoaufnahmen des Stratosphärensprungs von Felix Baumgartner gezeigt. Im Hintergrund der, in 38 km Höhe gemachten Aufnahmen, ist vermeintlich eine deutliche Erdkrümmung zu sehen. Dem Team von Terra-X unterläuft hier ein häufig gemachter Fehler. Es wurde versucht in Fotos, die mit einer Fischaugenlinse aufgenommen wurden, eine Horizontkrümmung nachzuweisen, ohne vorher die notwendige Objektivkorrektur durchgeführt zu haben. So heißt es in der Dokumentation:
"Die Kameras zeigen, ganz nebenbei, das Offensichtliche: Die Kugelform der Erde."
Genau das zeigen die Kameras nicht! Sie zeigen im wesentlichen die Objektivverzerrung und nur zu einem kleinen Teil die tatsächliche Krümmung der Erde. Der Einfluss einer Fischaugenlinse auf ein Bild wird exemplarisch in den beiden Fotos unten demonstriert. Aus lizenzrechtlichen Gründen, kann ich an dieser Stelle keine Originalaufnahmen des Baumgartner Sprungs verwenden. Ich habe aber weder Kosten, noch Mühen gescheut um die Fotos nachzustellen.
Es gibt zwei Arten von Weitwinkelobjektiven: Rektilinear- und Fischaugenobjektive. Rektilineare Objektive stellen gerade Linien im Bild gerade dar, Fischaugenobjektive tun das nicht. Fotografen bevorzugen daher rektilineare Objektive. Weil diese aber einen komplexen Aufbau mit mehreren Linsengruppen haben, sind sie teurer, komplizierter und größer. Fischaugenobjektive können billiger und vor allem kleiner gebaut werden, weshalb sie oft in kleinen Actionkameras verwendet werden. Die Bauform ist kompakt und es ist ohne weiteres möglich die Bildverzerrung später am Computer wegzurechnen, wenn sie denn überhaupt stört.
Felix Baumgartner trug bei seinem Sprung 5 Kameras der Marke "GoPro Hero HD" am Körper [1]. Dabei handelt es sich um eine Actionkamera mit Fischaugenobjektiv. Auf Bildern dieser Kamera kann man ohne nachträgliche Korrektur keine Aussage über die Horizontkrümmung der Erde treffen. Eigentlich hätte dem Team von Terra-X auffallen müssen, dass sich die "Horizontkrümmung" in diesem Teil des Videos ständig ändert. Ein typischer Effekt von Fischaugenlinsen, der insbesondere bei bewegten Aufnahmen gerader Linien auffällt, wenn die Kameraorientierung relativ zum Horizont geändert wird.
Ab welcher Höhe ist die Horizontkrümmung sichtbar?
Die Horizontkrümmung ist erst ab ungefähr 15 Kilometer Höhe wahrnehmbar. Die Reiseflughöhe eines Interkontinentalfluges reicht dafür noch nicht aus. Auf der Starthöhe des Sprunges von Felix Baumgartner in 38 Kilometer ist der gekrümmte Horizont jedoch sichtbar, allerdings deutlich schwächer als in der Sendung behauptet.
Einen Eindruck davon, wie hoch man sein müsste, um eine wie von Terra-X suggerierte, Erdkrümmung zu sehen vermittelt das Bild unten rechts. Ein Astronaut im Weltall, der eine derart deutliche Krümmung sieht, befindet sich tausende Kilometer hoch und Überblickt einen erheblichen Teil der Erdkugel.
Für genauere Informationen zu diesem Thema kann ich die Ausarbeitungen von Walter Bislin zum Thema Linsenverzerrung und Horizontkrümmung empfehlen.
Die Sache mit der "Universalbeschleunigung"
Link zur Erklärung der Universalbschleunigung in der Terra-X Sendung. (Externer Inhalt: Link zum ZDF; Video "Ein Fall für Lesch & Steffens - Streiten für die Wahrheit" des Kanals von Terra-X.)Wenig später versucht man sich an der Wiederlegung des häufig verwendeten Arguments der Flacherdler, dass die Gravitation überhaupt nicht existiert. Auch hier wird eine Chance vertan. Man bekommt den Eindruck dass sich lediglich über die vermeintliche Dummheit der Aussage lustig gemacht wird. So heißt es:
Für die Schwerkraft haben Flacherdler eine Alternatividee. Der Ball kommt nicht zurück zur Erde, die Erde kommt zum Ball. Sie bewegt sich konstant nach oben. Es wirkt die "Universalbeschleunigung".
Sowohl die gezeigte Animation, als auch die Erklärung sind irreführend. Die Flacherdler behaupten nicht, dass die Erde sich "konstant" nach oben bewegt. Dann würde nämlich in Abwesenheit von Schwerkraft nichts passieren. Ein nach oben geworfener Ball flöge immer weiter weg und jeder auf der Scheibenwelt wäre schwerelos. Was sie behaupten ist, dass die flache Erde sich konstant beschleunigt nach oben bewegt. Ihr Argument kann wie folgt zusammengefasst werden:
Gravitation existiert nicht. Auf einer flachen Erde benötigt man keine Gravitation, denn deren Effekt ist ununterscheidbar zum Effekt einer mit 9.81 m/s² nach oben beschleunigten Erdscheibe.
Das ganze nennen sie dann "Universalbeschleunigung". Es ist ein durchaus interessantes Argument, denn es ist richtig, dass die Funktion der Gravitation auf einer flachen Erde im Prinzip durch eine Beschleunigung nach oben ersetzt werden könnte. Mit diesem Trick reißt man die Erde gedanklich aus ihrem ruhenden Inertialsystem. Damit ändern sich die Newtonschen Grundgleichungen in einer Art, die es möglich macht Erdschwerebeschleunigung durch eine Beschleunigung des Inertialsystems nach oben zu ersetzen.
Die "Potsdamer Schwerekartoffel" ist ein Darstellung der messbaren Unterschiede in der Stärke des Gravitationsfeldes auf der Erde. Diese Unterschiede wären nicht erklärbar, wenn die Gravitationskraft durch eine "Universalbeschleunigung" ersetzt werden würde! (© Deutsches Geoforschungszentrum Potsdam; Bildquelle)Auf der Erdoberfläche sieht die Bewegungsgleichung für einen freien Fall unter dem Einfluss der Gravitationskraft so aus:
Wenn sich in einem ruhenden Inertialsystem ein Körper beschleunigt bewegt, muss auf ihn eine Kraft einwirken. Beim freien Fall im Gravitationsfeld ist das die Gravitationskraft:
Man könnte aber auch behaupten, die Erde sei ein linear nach oben beschleunigtes Inertialsystem. Dann sieht die Bewegungsgleichung für den freien Fall im Schwerefeld etwas komplizierter aus:
Wobei \(\vec{u}\) die Beschleunigung des Inertialsystems ist und \(\vec{g}\) die Erdschwerebeschleunigung. (Achtung: u und g haben unterschiedliche Vorzeichen). Die rechte Seite der Gleichung besteht jetzt aus der Addition zweier Kräfte. Diese kann man aber nicht getrennt messen. Daher könnte man auch behaupten, das die Erdschwerebeschleunigung Null ist und die komplette messbare Beschleunigung alleine durch die Beschleunigung des Inertialsystems verursacht wird.
Das ist natürlich eine argumentative Nebelkerze aber eine durchaus kreative. Deshalb hätte man in der Sendung darauf eingehen sollen, denn die "Universalbeschleunigung" ist einfach zu widerlegen: Die Erdschwerebeschleunigung ist nicht an jedem Punkt der Erde gleich! Wenn diese von einer Beschleunigung des Inertialsystems kommen würde, dann müssten Teile der flachen Erde unterschiedlich schnell beschleunigt werden. Das würde aber die "Erdscheibe" auseinanderreißen, weil sich immer größere Höhenunterschiede zwischen den langsamer und schneller beschleunigten Teilen herausbilden würden. Infolge dessen kann eine Beschleunigung des Inertialsystems als Ursache für die Schwerebeschleunigung sicher ausgeschlossen werden.
"Universalbeschleunigung" und Relativitätstheorie
Auch wenn es falsch ist, zeigt sich die Kreativität des Universalbeschleunigungsarguments auch daran, dass es mit der Relativitätstheorie vereinbar ist. Ein oft zu hörendes, aber falsches Gegenargument ist, dass bei einer permanenten, konstanten Beschleunigung mit 9.81 m/s² die Lichtgeschwindigkeit sehr schnell erreicht würde. Richtig ist, das die Relativitätstheorie eine konstante Beschleunigung zulässt, ohne das jemals die Lichtgeschwindigkeit erreicht wird. Die Geschwindigkeit würde sich asymptotisch der Lichtgeschwindigkeit annähern, diese aber nie erreichen. [7]
Die zur Beschleunigung der "Erdscheibe" notwendige Energie würde allerdings schnell gegen unendlich gehen. Ein Flacherdler könnte aber argumentieren, dass es mit der "dunklen Energie" in der heutigen Physik auch ein Konzept gibt, in dem die immer schnellere Expansion des Kosmos kein Energieproblem zu sein scheint. Wieso darf er sein Energieproblem dann nicht auch mit einer "dunklen Beschleunigung" lösen? Eine solche Argumentation bringt nichts, wenn man es mit wissenschaftlich vorgebildeten Trollen zu tun hat.
Das Experiment am See
Der Ort des Experimentes war der Ratzeburger See. (C) OpenStreetMap Beitragende.Der Abschnitt über die flache Erde endete mit einem Laserexperiment. Es hatte das wenig ambitionierte Ziel zu beweisen, dass die Erde keine Scheibe ist. Das ist eigentlich ganz einfach, aber die von Terra-X hier gewählte Art der Durchführung kann nur funktionieren, wenn man den Durchmesser der Erde bereits kennt. Die Information, die das Experiment liefern sollte, wurde also schon vorher in den Versuchsaufbau eingebaut. Das bedeutet, dass das gezeigte Experiment bei gleicher Durchführung auf einer flachen Erde sehr ähnliche Ergebnisse liefern würde. Ein wissenschaftlich absolut unsinniger Versuchsaufbau.
"Wir brauchen nur ein Boot, einen See und einen Laser"
Das ZDF hat bei der Auswahl des Sees gute Arbeit geleistet. Es fand am Ratzeburger See, südlich von Lübeck statt [2]. Wenn man einen See anlegen müsste, um die Erdkrümmung zu messen, würde er so ähnlich aussehen. Der See erstreckt sich in Nord-Süd Richtung über 8 Kilometer und bietet vom Süden aus gesehen ungefähr 8400 Meter freie Sicht über die Wasseroberfläche. Die Erdkrümmung beträgt bei diese Entfernung über 4 Meter! Das wären eigentliche ideale Voraussetzungen für ein wissenschaftlich solides Experiment gewesen.
Die möglichen Varianten des Laserexperimentes
Wir beginnen mit der ersten Erklärung der Sendung: Wenn man beweisen möchte, dass die Erde flach ist, muss man nur an einem See einen Laser horizontal über die Wasseroberfläche strahlen und mit einem Boot an verschiedenen Punkten des Sees die Höhe des Lichtpunktes messen. Wenn die Erde flach ist, darf sich die Höhe nicht ändern.
"Der Laser ist unbestechlich Dirk. Es weiß ja jeder, dass ein Laserstrahl völlig horizontal geht. Wenn du beweisen willst, dass die Erde eine Scheibe ist, dann musst du nur zeigen, dass die Erde genauso horizontal ist, wie der Strahl."
Diese Aussage ist bestenfalls ungenau. Den Fehler "völlig horizontal" mit "völlig gerade" zu verwechseln, sollte eine Wissenschaftssendung nicht machen. Der Laser verläuft nur dann horizontal, wenn er auf die Horizontale justiert wurde und genau das wird bei diesem Experiment zum Problem werden.
Einen Laser auf die Horizontale zu justieren ist eigentlich einfach: Man misst die Laserhöhe auf der einen Seeseite und fährt dann auf die andere, um den Laser so einzustellen, dass er dort die gleiche Höhe hat.
Variante 1a: Der Nachweis einer, hypothetischen, flachen Erde mit einem Laser wäre tatsächlich einfach. Für die Laserjustage müsste der Strahl so eingestellt werden, dass er auf beiden Seeseiten die gleiche Höhe hat.Das funktioniert auch auf einer kugelförmigen Erde. Die Erde krümmt sich dann zwar unter dem Laserstrahl und dieser verläuft nur in der Seemitte horizontal zur Wasseroberfläche aber das ist ja der Effekt, den man messen will.
Variante 1b: Das Experiment auf der kugelförmigen Erde wird genauso durchgeführt. Nur das Ergebnis ist anders.Wie man leicht sehen kann, nimmt die Höhe des Laserstrahles auf einer kugelförmigen Erde zur Seemitte hin ab. An den Ufern ist sie dagegen Maximal. Das war der Redaktion von Terra-X wohl zu kompliziert weshalb man ein alternatives Experiment entwarf, bei dem der Laser auf der einen Seeseite exakt horizontal zum See ausgerichtet werden muss.
Variante 2a: Experimentaldurchführung nach Terra-X. Grundvoraussetzung ist ein exakt horizontal justierter Laser am Seeufer.Das Justierproblem des Lasers
Theoretisch funktioniert das Experiment immer noch, aber jetzt gibt es ein Problem mit der Justierung des Lasers. Woher weiß man, wann sich der Laser genau in der Horizontalen befindet? Es gibt keine verlässlichen Anhaltspunkte mehr, um ihn auszurichten, und weder mit einer Wasserwaage noch mit Präzessionsneigungsmessern lässt sich die Horizontale mit ausreichender Genauigkeit bestimmen. Die Erdkrümmung auf 3000 m Entferhung beträgt etwa 0,67 m. Die zu erwartenden Fehler bei der Justierung mit einem Neigungsmesser sind wesentlich größer.
Neigungsmessinstrument | Genauigkeit | Justierfehler auf 3000 m |
---|---|---|
Wasserwaage | 0.057° | ≈4 m |
Präzissionsneigungsmesser | 0.01° | ≈1.5 m |
Warum diese Anordnung gewählt wurde, ist unklar. Wahrscheinlich dachte man, dass der zu messende Effekt viel deutlicher wird, wenn man den Laser so ausrichtet, da sich der messbare Höhenunterschied verdoppelt und wir erinnern uns, in der Welt von Terra-X gilt:
"Es weiß ja jeder, dass ein Laserstrahl völlig horizontal geht ..."Die ungefähre Richtung und Länge der Laserstrecke des Experimentes. (C) OpenStreetMap Mitwirkende.
Dass ein Laser nicht von alleine "horizontal geht" und dass man keinen Neigungsmesser für die Justierung verwenden kann, wusste anscheinend auch Harald Lesch, weshalb er erklärt:
"Was wir jetzt machen ist, wir schicken den Laser da rüber, justieren ihn da."
Aber wie justiert man den Laser so am anderen Seeufer so, dass er genau horizontal verläuft? Bei Experimentalvariante 1 ergibt sich das durch den Aufbau automatisch. Beim Experiment wie von Terra-X durchgeführt nicht! Die Höhe, die der Laser auf der anderen Seeseite haben muss, ist größer, wenn die Erde eine Kugel ist. Um wie viel genau, hängt von der, im Rahmen des Experimentes, eigentlich unbekannten Erdkrümmung ab. Deren Nachweis ist ja erst das Ziel des Versuches.
Der einzige Weg diese "Justierung" durchzuführen ist, die Länge des Sees zu messen und mit dem Wissen um den tatsächlichen Erdradius einfach den Höhenunterschied zu berechnen. Dieser ergibt sich aus der Erdkrümmung. Dann justiert man den Laser so, dass er am anderen Ufer um genau diesen Betrag höher ankommt. Der Ratzeburger See ist zwar über 8,4 km lang aber so, wie Terra-X den Laser ausgerichtet hat, ist die Entfernung zum gegenüberliegenden Ufer nur ungefähr 3 km. Auf 3 Kilometer krümmt sich die Erde ungefähr 67 Zentimeter.
Die "Justierung" besteht also darin, den Laser so einzustellen, dass er am anderen Ufer 67 Zentimeter höher ankommt. Bei dem Experiment kann gar nichts anderes mehr herausrauskommen. Es ist eine völlig sinnlose Art der Durchführung. Wieso fährt man den See überhaupt noch ab, wenn das Ergebnis schon feststeht?
Schlimmer noch: Nehmen wir einmal an, die Flacherdler hätten recht. Wie würde das Terra-X Experiment aussehen, wenn man auf einer flachen Erde den Laser für dieses Experiment in der dort "falschen" Annahme "justiert", die Erde sei rund?
Variante 2b: So sähe das Terra-X Experiment aus, wenn die Flacherdler recht hätten und die Erde flach wäre. Es wurde die gleiche "Justierung" verwendet. Bei dieser Art des Experimentalaufbaus kann man nicht so einfach entscheiden, ob die Höhenänderung des Lichtpunktes durch Fehljustierung des Lasers oder durch die Erdkrümmung kommt.Man hat das Wunschergebnis bereits in die Justierung eingebaut!
Was hat Terra-X bewiesen?
Kommen wir zu den präsentierten Messergebnissen. Für die Sendung wurden 4 Punkte gemessen, der Höhenunterschied von Punkt 1 zu Punkt 4 ist ungefähr 60 Zentimeter. Das entspräche einem Bootsfahrweg von etwas weniger als 3 Kilometern. Merkwürdig ist, dass alle Punkte sich um ungefähr den gleichen Betrag nach oben verschieben. Die Erde krümmt sich aber mit zunehmender Entfernung stärker nach unten weg. Die Punkte müssten eigentlich immer schneller nach oben wandern, wenn das Boot zwischen den Messungen ungefähr gleiche Entfernungen zurücklegte.
Links: Die Kugelförmige Erde krümmt sich immer schneller unter dem Strahl weg. Rechts: In den Ergebnissen von Terra-X steigt der Lichtpunkt nahezu gleichförmig an. Dieses Ergebnis passt eigentlich besser zur Durchführung des Experiments auf einer flachen Erde.Das Ergebnis wird wie folgt erklärt:
Es gibt nur eine Erklärung, weshalb der Strahl das Boot immer weiter oben getroffen hat. Der Laserstrahl verläuft nicht mehr horizontal zur Seeoberfläche. Die Oberfläche des Sees krümmt sich.
Das präsentierte Ergebnis ähnelt eher dem, was bei gleicher Durchführung auf einer flachen Erde gemessen werden würde. Wir erinnern uns: Die Justierung des Lasers besteht darin, ihn an der Horizontalen auszurichten. Dafür muss man ihn auf eine Position einstellen, die ein wenig über dem tatsächlichen Horizont liegt. Auf einer kugelförmigen Erde würde er dann genau in der Horizontalen liegen, auf einer flachen Erde hätte man ihn jedoch leicht schräg nach oben ausgerichtet.
Jetzt könnte zur Ehrenrettung von Terra-X eingewendet werden, dass gar nicht gesagt wurde, wo genau auf dem See die Laserpunkte aufgezeichnet wurden und dass man sie durchaus in solchen Entfernungen hätte messen können, dass das Ergebnis zu einer kugelförmigen Erde passt. Die Messpunkte befänden sich dann ungefähr an den, in der Tabelle unten angegebenen Positionen im See.
Messpunkt | Laserpunkthöhe | Bootsentfernung vom Laser |
---|---|---|
Punkt 1 | 0 cm | 0 m |
Punkt 2 | 20 cm | 1640 m |
Punkt 3 | 40 cm | 2320 m |
Punkt 4 | 60 cm | 2840 m |
Es gäbe erst nach 1640 Metern den ersten richtigen Messpunkt im See. Hier ergibt sich das Problem, dass ein Laserstrahl sich mit zunehmender Entfernung aufweitet (sog. Divergenz). Dem kann zwar mit einem sogenannten Laserstrahlaufweiter entgegen gewirkt werden und tatsächlich hatte man bei Terra-X einen solchen vor Ort (Bild unten links). Doch auch ein Strahlaufweiter kann die Divergenz nicht komplett verhindern (Siehe unten rechtes Bild). Die Messpunkte liegen in Entfernungen, in denen die Aufweitung bereits deutlich stören würde. Umso größer der Strahldurchmesser, desto schwieriger wird es seine Mitte zu finden. In Ufernähe wo der Laserstrahldurchmesser noch klein ist und wo man auch kleine Höhenveränderungen hätte messen können, wurde also nur eine Messungen gemacht und alle anderen dort, wo die Strahlqualität immer schlechter wurde (siehe rechtes Bild).
Bei dieser Art der Experimentaldurchführung wäre es zum Beweis der Erdkrümmung notwendig gewesen die Nichtlinearität der Lichtpunkthöhenkurve nachzuweisen. Diese wäre nur auf einer kugelförmigen Erde messbar. Weil das ausblieb, kann anhand der präsentierten Ergebnisse nicht entschieden werden, ob die Erde kugelförmig oder flach ist. Man hat nur bewiesen, dass sich die Lichtpunkthöhe ändert. So etwas würde aber auch mit einem schräg eingestellten Laser auf einer flachen Erde passieren.
Was ist vermutlich wirklich passiert?
Man hat an diesem Tag Ausrüstung zum See gebracht, die geeignet sein könnte ein solches Experiment erfolgreich durchzuführen. Diese Formulierung ist bewußt vorsichtig gewählt, denn dieses Experiment steht und fällt mit der Divergenz des verwendeten Lasers. Dieser war ein Gerät der Laserklasse 4 mit Laserstrahlaufweiter und Zielfernrohr für die Justierung. Es scheint eine modifizierte Version eines Lasers der "RTI PIKO"-Serie zu sein.
Da es aufwendig ist jemanden ans andere Ufer zu schicken, um dort den Laserstrahl auf die gleiche Höhe zu justieren, entschied man sich für eine fragwürdigere Variante der Justierung. Laut Terra-X "justierte" man den Laserstrahl durch ein Fernrohr an einem Ufer, das in 3 Kilometer Entfernung lag. Eine Entfernung, in der der Strahl einen Durchmesser von mindestens 30-50 Zentimetern gehabt hätte. Wenn die Justierung ernst genommen worden wäre, dann hätte man ihn dort auf die Höhe des Tisches, auf dem der Laser stand, plus die Höhe des Strahles über dem Tisch, plus 67 Zentimeter einstellen müssen. Wobei die 67 Zentimeter auf Basis der Entfernung zum anderen Ufer und des bekannten Erddurchmessers berechnet werden mussten. Für eine Aussage über die Form der Erde hätte man zwingend die Lichtpunkthöhenkurve bestimmen und deren Nichtlinearität nachweisen müssen.
Warum der ganze Aufwand? Man konnte den Laser auch einfach irgendwie leicht schräg nach oben einstellen. Das einzige Kriterium war vermutlich, dass er das Boot über eine verhältnismäßig große Entfernung treffen musste. Wegen der Strahldivergenz konnte vermutlich ohnehin nicht weit gefahren werden bevor der Laserstrahldurchmesser zu groß wurde. Man brauchte ja nur die Bilder fürs Fernsehen und musste nur dafür sorgen, dass der Laser seine Höhe auf dem Boot ändert. Aus diesem Grund ist die plausibelste Erklärung für das, was tatsächlich passierte diese hier:
Die präsentierten Ergebnisse können auch so interpretiert werden, dass man den Laser einfach schräg nach oben justiert hat und dann mit dem Boot nur eine relativ kurze Strecke gefahren ist. Auf diese kurze Distanz kam die Erdkrümmung gar nicht voll zum tragen und es wurde im wesentlichen ein schräg eingestellter Laser vermessen.Man schließt dieses Segment der Sendung mit folgendem Dialog:
Dirk Steffens:
"Das ist ja schön und gut mit dem Laser aber sein wir doch mal ehrlich Harald, damit überzeugen wir doch nur Leute, die es ohnehin schon wussten"
Harald Lesch:
"Die die nichts glauben wollen, die glauben es sei ein Fake obwohl sie es ja selber nachmachen könnten"
Dirk Steffens:
"Warum glauben Leute nur an einen Quatsch, der sich so einfach widerlegen lässt?"
Harald Lesch:
"Es geht gar nicht so sehr darum, was sie glauben, als vielmehr, an was sie nicht glauben. Sie glauben nämlich nicht der Quelle der Information"
Was bleibt ist der bittere Nachhall von Harald Lesch's Schlußsatz. Er fordert hier nach 10 Minuten voller Ungenauigkeiten vom Zuschauer ein "Argumentum ad verecundiam", einen Beweis durch Ehrfurcht ein, denn Terra-X war nicht in der Lage, den Quatsch den die Flacherdler behaupten zu widerlegen. Man machte unverzeiliche Fehler, wie die Erdkrümmung optisch in Fotos nachzuweisen, die mit einer Fischaugenlinse aufgenommen worden waren und versuchte sich an einer Art der Experimentaldurchführung, welche unnötig kompliziert war. Die präsentierten Ergebnisse waren entweder komplett konstruiert oder zumindest für den gewählten Experimentalaufbau ohne jede Beweiskraft, weil Meßwerte wie Bootsentfernungen und Lichtpunkthöhen nicht angegeben wurden.
Andere konnten das Besser
Netflix Dokumentation "Unter dem Tellerrand"
Bei Netflix hat man das gleiche Thema in der Dokumentation "Unter dem Tellerrand" (Behind the Curve) besser aufgearbeitet. Der stilistische Unterschied ist deutlich. Dort wo bei Terra-X lächerlich gemacht wird, lässt die Netflix Dokumentation Flacherdler reden, mit all ihren Widersprüchen. Die Wissenschaftler, die zu Wort kommen sind kritisch aber nicht herablassend. Sie sind aber auch selbstkritisch. Denn hinter jedem Menschen der am Ende im Lager der Flacherdler landet, steht immer auch ein Versagen zu bilden, ein Versagen zu erklären und ein Versagen zu überzeugen.
Die Netflix Dokumentation endet mit einem Experiment, in dem Flacherdler erfolgreich die Krümmung der Erde nachweisen, genau das woran Terra-X hier scheitert. Sie nehmen das Ergebnis mit Erstaunen und Unglauben zur Kenntnis und lehnen es ab. Es ist schon ironisch: Terra-X wollte das Experiment durchführen konnte aber nicht, die Flacherdler konnten ein ähnliches Experiment durchführen, wollten dessen Ergebnis aber nicht wahr haben.
National Geographic "Flat Earth vs. Round Earth"
Bei "National Geographic" hat man die einfachst mögliche Version des Experimentes gewählt. Man fuhr am helllichten Tag mit einem Boot in Richtung Horizont und hatte am Boot Markierungen mit unterschiedlich farbigen horizontalen Streifen angebracht. Mit Teleskopen konnte dann ohne Probleme vom Ufer aus beobachtet werden, dass die untersten der Streifen ab einer bestimmten Entfernung nicht mehr zu sehen waren. Mit dem Wissen um die Breite der Streifen hätte zusätzlich noch eine grobe Abschätzung des Erdradius durchgeführt werden können. Das ist eine Version, die auch Terra-X am Ratzeburger See hätte umsetzen können. Das hätte funktioniert, wäre aber deutlich unspektakulärer gewesen. Anstelle dessen wurde auf Wissenschaftstheater mit Lasershow gesetzt, der Bilder wegen.
Amateurstunde beim Laserschutz
Es scheint so, dass der ganze Ablauf der Messung zeigt, wie fahrlässig man auch mit dem Arbeitsschutz umgegangen ist. Jedenfalls sieht es so aus, denn ich kann nicht erkennen, dass irgendjemand eine Laserschutzbrille getragen hat. Dirk Steffens hält seinen Kopf, auf einem schwankenden Boot stehend, direkt vor einen ruhenden Laserstrahl mit erheblicher Leistung.
Praktizierter Laserschutz beim ZDF. Dirk Steffens, ohne erkennbare Schutzbrille seitlich auf einem schwankenden Boot stehend direkt vor einem Laserstrahl, den er den Bruchteil einer Sekunde später kreuzen wird. Die Leinwand hat er nach jeder Messung sofort wieder herunter genommen. (© ZDF / Terra-X "Ein Fall für Lesch & Steffens - Streiten für die Wahrheit"; https://www.youtube.com/watch?v=f7UvligKPCE&t=555s)Man verwendete für das Experiment offenbar einen Laser der Marke RTI PIKO. Die aktuell beim Hersteller aufgeführten Modelle haben Leistungen von mindestens 27 Watt. Das ist ein Produkt der Laserklasse 4. Für Produkte dieser Schutzklasse gilt [5]:
- Gefährlich für Augen und Haut
- Technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen notwendig
- Streustrahlung ebenfalls gefährlich
- Brandgefahr bei entzündlichen Materialien
Die Helfer der DLRG hatten offenbar auch keine Schutzbrillen. War die Anweisung hier: "Dreht euch einfach nicht um"? Laserstrahlen können sich unvorhersehbar verhalten. Auch wenn man nicht in Richtung des Strahles blickt, kann es passieren, dass dieser auf eine Chromleiste des Bootes trifft und mit erheblicher Restenergie direkt ins Auge das Bootsführers fällt. Für Augenschäden bedarf es keiner langen Wirkzeiten, denn die Linse des Auges bündelt den Laserstrahl auf der Netzhaut. Es kommt immer wieder vor, das Piloten im Landeanflug mit Lasern geblendet werden [3] und sich danach in ärztliche Behandlung begeben müssen.
Man hätte darauf hinweisen sollen, wie gefährlich starke Laser bei unsachgemäßer Handhabung sein können. Anstelle dessen wurde impliziert das jeder dieses Experiment nachmachen könne. Wie so etwas aussieht zeigt die Netflix Dokumentation. In dieser besorgt sich ein Flacherdler einen 3 Watt starken Handlaser, den er direkt vor seiner Haustür ausprobiert, indem er ihn in Richtung einer stark befahrenen Straße hält. Das Ganze nur Meter von vorbeifahrenden Autos entfernt. Ein solcher Umgang mit Lasern der Klasse 4 ist grob fahrlässig und gefährlich!
Quellenverzeichnis
- ZDF / Terra-X: "Ein Fall für Lesch & Steffens Die Wahrheit über die Lüge"; online; Sendung der Sendereihe Terra-X des Zweiten Deutschen Fernsehens; Oktober 2020
- Andy Stout: "Baumgartner: The video tech behind the jump"; online; Redshark News; 2012-11-06
- sueddeutsche.de: "Dreharbeiten für ZDF-Reihe "Terra X" ab Freitag in Ratzeburg"; online; DPA Meldung auf sueddeutsche.de; 2022-08-03
- sueddeutsche.de: "Mit Laser geblendet - Hubschrauberpilot der Bundeswehr verletzt" online; DPA Meldung auf sueddeutsche.de; 2019-08-01
- raytechnologies.com: "RTI PIKO Serie" via archive.org; Produktinformationen des Herstellers zur RTI PIKO Serie.
- laserworld.com: "Laser Safety FAQ - Laserklassen" online; Erklärungen zu verschiedenen Laserklassen.
- Claude Semay: "Observer with a constant proper acceleration"; online; Groupe de Physique Nucĺeaire Th́eorique, Universit́e de Mons-Hainaut, Academie universitaire Wallonie-Bruxelles; 2008-02-02
Die Sache mit der Red Bull Bildlizenz - Warum keine Bilder des Felix Baumgartner Sprungs?
Das Bild zeigt definitiv NICHT Felix Baumgartner bei seinem Stratosphärensprung. (Urheber: Volkmar Wentzel; U.S. Air Force; Public Domain)Die im Terra-X Video verwendeten Szenen des Stratosphärensprunges von Felix Baumgartner wurden im Rahmen des Projektes "Red Bull Stratos" gemacht. Das Urheberrecht liegt daher bei Red Bull. Das ZDF musste sie vermutlich auch zukaufen.
Möglicherweise hätte ich Screenshots mit Bildern aus der Videosequenz des Baumgartner-Sprungs unter Verweis auf das Zitatrecht verwenden können. Das war mir in diesem Fall zu heikel, also habe ich bei Red-Bull angefragt ob es ok ist, die Screenshots zu verwenden. Dort hat man mir in einer freundlichen E-Mail mitgeteilt, dass diese Bilder Premium-Inhalte sind und mir ein Angebot über, wenn ich mich recht erinnere, 6000 Euro für die weltweite Verwendung gemacht. Es ging um Screenshots in niedriger Auflösung aus einem YouTube Video, für eine Webseite mit Bildungsinhalten! Eine Videosequenz, die auf YouTube bereits unzählige male von dritten hochgeladen wurde und dort offenbar seit mehr als 9 Jahren unbeanstandet steht. Ok, da baue ich mir lieber eigene Bilder.
Das Zitatrecht erlaubt auch keinerlei Modifikation der Bilder. Ich wollte diese aber entzerren um zu zeigen, wie abgrundtief dämlich die Terra-X Erklärung an dieser Stelle der Sendung war. Aus diesem Grund habe ich auf die Bilder verzichten müssen und deshalb benötigen wir auch in Europa "Fair Use"-Lizenzen.